Interview mit Apichet Panjarat:

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Der Psychologe Apichet Panjarat

Psychologe im Waisenhaus Phayathai Babies‘ Home

Der Psychologe Apichet Panjarat, ein fröhlicher, wenn auch von Sorgen gezeichneter Mann, arbeitet seit acht Jahren im Waisenhaus Phayathai Babies‘ Home. Ein Mann, der seine Aufgabe zur Pflicht macht.


In den ersten vier Jahren seiner Arbeit im Waisenhaus konnte er seine Ideale noch durchsetzten und jedes Kind im Heim einzeln therapieren. Nichts scheint ihn glücklicher zu machen, als etwas bewirken zu können. Manch ein Schicksal eines Kindes stimmt ihn besonders traurig und auch wenn er Vorgeschichten nicht ändern kann, so sieht er es doch als seine Mission, wenigstens den weiteren Verlauf der Kindheit besser zu gestalten. Doch wie so oft, erschweren staatliche Restriktionen auch hier die Arbeit im Waisenhaus.

Wie sieht ein Kind-Entwicklungsprojekt aus? Welche besonderen Aktivitäten lassen sich die Spezialisten, die vom Kinderheim angestellt sind, einfallen?



AP: Wir bereiten die Kinder auf die Schule vor, indem wir sie mit drei Jahren in den Kindergarten schicken. Haben die Kinder motorische Schwierigkeiten oder hängen der altersgerechten Entwicklung etwas hinterher, versuchen wir sie hier zu therapieren. Wir unternehmen mit ihnen auch Gruppenausflüge wie beispielsweise in den Park oder Zoo. Auch der Besuch eines Supermarktes ist für manche Kinder eine ganz neue Erfahrung. Es gab z.B. mal ein Kind, das wir, wie viele andere auch, aus unwürdigen schlechten Verhältnissen holten. In der Gruppe gingen wir gemeinsam zum Einkaufen und dieses Kind hatte doch tatsächlich noch nie ein abgepacktes Huhn gesehen! Der Supermarkt mit all seiner Auswahl an Lebensmitteln und Gegenständen war eine völlig neue, für diesen Tag vielleicht auch etwas überfordernde, Erfahrung.

Gibt es eine Geschichte zu einem bestimmten Moment oder Ereignis, die Sie optimistisch stimmt oder stolz macht auf ihre Arbeit hier?


AP: Es macht mich sehr sehr glücklich Kindern zu helfen. Manchmal werden die eigenen Kinder wochenlang isoliert zu Hause eingesperrt. Erfahren wir davon, zeigen wir die Eltern wegen Kindesmisshandlung an und schicken die Kinder zu den Großeltern. Meist wissen diese gar nichts von den Machenschaften und der Brutalität ihrer Kinder zu ihren Enkelkindern. Es kommt vor, dass sowohl Großeltern, als auch Enkelkinder heute noch dafür dankbar sind und teilweise sogar zu Besuch kommen. Diese Dankbarkeit zu erfahren gehört zu den schönsten Momenten.
Einmal wurde beispielsweise ein Kind besonders anhänglich und war völlig fixiert auf mich. Der kleine Junge wurde von seiner drogensüchtigen Mutter ausgesetzt, indem sie während einer Fahrt mit dem Motorrad-taxi einfach vom Fahrzeug sprang. Das Kind wurde vom Motorradfahrer ins Heim gebracht, konnte nicht richtig sprechen, ja noch nicht einmal die Namen seiner Eltern sagen. Das einzige, was er immer wiederholte, war der Ausdruck „Thai Arrow“. Es brauchte einige Zeit Recherche bis ich herausgefunden hatte, ob es sich dabei um die T-Shirt Marke oder eine Fabrik für Autoteile handelte. Ich machte ein Foto von dem Kleinen und begab mich auf die Suche nach den Eltern. Das Kind weinte sich währenddessen jeden Tag die Augen aus! Nach einiger Zeit war Licht zu sehen, denn eine ältere Fabrikmitarbeiterin erkannte ihren kleinen Neffen auf dem Foto.
Während die Mutter unauffindbar blieb, wurde der Vater bereits aus dem Gefängnis entlassen, starb aber drei Monate nach seiner Entlassung an einer Überdosis Heroin. Das Kind wurde schließlich von seinen Großeltern aufgenommen und entwickelt sich prächtig.

Was wäre für Sie eine mögliche Erfolgsgeschichte für eines ihrer Kinder, nachdem sie das Waisenhaus verlassen?

AP: Wir haben weniger Erfolgsgeschichten zu erzählen, sondern eher Fälle. Wenn die Kinder adoptiert werden und ein besseres Zuhause bekommen, ist dass doch schon ein kleiner Erfolg für uns. Wenn die Kinder studieren können, um mehr aus ihrem Leben zu machen, ist das ein noch viel schönerer Erfolg.
Zwei Fälle, an die ich mich erinnere, waren ein aufgeweckter Junge, der hier im Heim lebte und heute erfolgreicher Unternehmer in der Medienbranche ist. Ein anderer ist sogar Firmenchef einer Schuhfirma geworden.
Eine Waise des Phayathai Babies´ Home hat später sogar Ernährungswissenschaften studiert, arbeitet aber nun seit neuestem als Pflegerin bei uns. Ihre Entscheidung ins Heim zurückzukehren und ihr Wissen für unsere Arbeit von Nutzen zu machen, macht uns stolz!

Ist es möglich eine Patenschaft für ein Kind zu übernehmen?

AP: Eine Patenschaft zu übernehmen ist leider nicht möglich. Wir sind ein staatliches Kinderheim, an das man zwar finanzielle Spenden geben kann, aber diese werden gerecht aufgeteilt auf alle, indem wir Kleidung oder Lebensmittel davon kaufen.

Was erhoffen Sie sich für die Zukunft des Waisenhauses Phayathai Babies´ Home?

AP: Ich würde mir wünschen, dass Eltern ihre Kinder nicht misshandeln oder einfach sorglos zurück lassen. Dass sie sich im Klaren sind, was sie ihren Kindern mit ihrer Rücksichtslosigkeit antun.
Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Pflegefamilien oder gar ehrenamtliche Mitglieder finden könnten, um den Kindern ein richtiges Leben in Liebe und Geborgenheit zu geben und ihnen bei ihrer Sozialisierung zu helfen. Unser Pflegepersonal tut was es kann, um den Kleinen ein Heim zu bieten. Aber 270 Kindern die Wärme einer Mutter zu ersetzen, schaffen auch sie nicht!

Wie feiern Sie mit den Kindern Songkran?

AP: Wir werden ein traditionelles Songkran feiern. Wir werden mit den Kindern Opfergaben in ein Wat bringen, Sandstupas bauen und Waschungen vornehmen. Wir werden keine Wasserschlachten durchführen, nicht so wie auf der Khao San Road, sondern wir wollen mit den Kindern die religiösen Zeremonien durchführen und deren Hintergründe lehren.

Vielen Dank für das Gespräch!

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