Dennis Gastmann:

Kofferjunge und Coverboy

Er reitet auf Elefanten und trifft sich mit Rassisten: Ein Interview mit dem Reporter und Autor Dennis Gastmann, der in Thailand einen seltenen Glücksmoment erlebt hat.


Für das NDR-Auslandsjournal Weltbilder begibt sich Dennis Gastmann auf Reisen. Und meistens in Gefahr. Mit 80.000 Fragen um die Welt heißt seine Sendung, in der Zuschauer ihm Fragen stellen und er nach einer Antwort forscht. "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann" will einer wissen – Dennis Gastmann besucht dann den Ku-KLux-Clan. "Wo liegt eigentlich Absurdistan?" – der Reporter erkundigt sich im Aserbaidschan.
Die verrücktesten Geschichten hat Gastmann als Reportagen verfasst und in einem Buch veröffentlicht.


Wir haben den Autor angerufen: Zu Hause, in Hamburg. Dennis Gastmann überlegt gerade, wohin er in Urlaub geht. Möglichst, so sagt er, wolle er dort nichts erleben.
Herr Gastmann, welche Ihrer Reisegeschichte erzählen Sie, wenn Sie jemanden wirklich beeindrucken wollen?
(lacht) Wenn ich ein Mädchen beeindrucken will?
Ja, zum Beispiel ein Mädchen.
Also Frauen mögen aus dem Buch vor allem die Geschichte über den Elefantenführerschein. Die ist so etwas wie ein Märchen, es kommt ja auch eine wahrhaftige Prinzessin darin vor. Ich erzähle diese Geschichte gerne, weil sie mich sehr berührt hat. Ich erlebe da ja diesen Glücksmoment, als…
… Moment Herr Gastmann, zu dem Elefanten und dem Glück habe ich eine andere Frage, die ich später stellen möchte.      
Okay. Die Leute wollen meistens sowieso lieber die bösen Geschichten hören: Wenn sich der kleine Dennis auf den Weg gemacht hat, einen großen Feind zu besiegen; den Ku-Klux-Clan oder Nordkorea. Diese Satire-Geschichten, bei denen ein Missstand angeprangert oder etwas kritisiert wird, bleiben in den Köpfen.
"Mit 80.0000 Fragen um die Welt" läuft seit über zwei Jahren im TV. Richtig bekannt wurden sie aber erst mit der Buchveröffentlichung. Woran liegt das?
Na ja, es gab so verschiedene Wellen. Wir haben viel Pressebeachtung bekommen, als die Sendung ein Jahr lief und ein bekannter Medienjournalist über uns geschrieben hat. Mit dem Buch kam jetzt noch mehr Aufmerksamkeit. Ich muss offen sagen, dass wir gut versteckt im NDR-Programm laufen, zu einer grotesken Sendezeit.


Mit dem Erfolg des Buches haben Sie jetzt eigentlich gute Argumente für eine eigene Show…
Wer weiß… (lacht). Ich bin aber mit der Sendung Weltbilder sehr verbunden, weil mir bisher keine andere Redaktion solche Freiheiten gelassen hat. Es ist ja auch kein reines Reisemagazin, sondern ein politisches Auslandsjournal. Deshalb ist es mir wichtig, dass es in meinen Beiträgen immer zwei Seiten gibt. Sie sollen unterhaltsam und witzig sein, aber auch zielgerichtet: Ich will etwas mitteilen. Ich mache keine Comedy, aber Satire ist mir schon wichtig.

Sie haben mal gesagt, Sie hätten den zweitbesten Job der Welt. Ja, weil ich der Meinung bin, dass der Playboy-Gründer Hugh Heffner den besten hat. An zweiter Stelle komme dann aber wohl ich. Trotzdem: Die zweieinhalb Jahre, in denen ich unterwegs war, waren auch sehr anstrengend. Die Leute glauben das meistens nicht, aber mein Team und ich waren halt ständig auf einer Mission – wir sind immer auf der Jagd nach noch cooleren Bildern und verrückteren Geschichten. Da ist man auch in Panama mental nicht in der Lage, an den Strand zu gehen und das Leben zu genießen. Noch nie zwei Tage Urlaub an einen Dreh drangehängt? Nie, nie, nie. Noch gar nicht. Spiegel Online nennt Sie die "Facebook- und Twitter-taugliche Inkarnation des vorurteilsbeladenen Durchschnittstouristen". Ehrlich gesagt habe ich mich darüber sehr geärgert, weil ich mir mit meinen Interviews und der Recherche viel Mühe gebe. Man muss dem Kritiker leider unterstellen, dass er nur die ersten beiden Kapitel gelesen und die offenbar missverstanden hat. Was halten Sie denn von dem Vorwurf? Nun, die Fragen, denen Sie nachgehen, entspringen ja oft aus Sprichwörtern. Und um die Antwort zu finden, läuft es dann darauf hinaus, Vorurteile abzuklopfen und zu überprüfen.    Ich gebe zu, dass es oft mit einem Klischee beginnt. Aber das stammt nicht von mir, sondern wird durch die Frage transportiert. Und oft relativieren sich die Vorurteile ja, wenn wir ihnen tiefer nachgehen. Außerdem steckt in den meisten Klischees ein wahrer Kern. Aber wenn mich jemand doof findet, kann ich damit leben. Polarisiert habe ich immer. Was war das schönste Kompliment über Ihr Buch? Ich glaube, das kam von einer Redakteurin der Zeit. Sie fand das Buch so schön geschrieben und wunderte sich – denn eigentlich, so meinte sie, "können Fernsehnasen gar nicht schreiben". Haben Sie denn alles selbst geschrieben? Ja, das ist mir wichtig. Es ist alles selbstverfasst und kein Plagiat. Ich komme ursprünglich von der Presse und bin dann beim Fernsehen gelandet. Sie können offenbar nicht nur schreiben, sondern auch Klavier spielen. Hat Ihnen das auf ihren Reisen schon mal was gebracht? Ja, ich habe mal einer 70-jährigen Prinzessin aus Thailand ein Ständchen gespielt. Sie hat mir eine Audienz auf der Elefantenfarm gegeben und forderte "Play German Song! Auf Wiedersehen!". Dann habe ich ihr auf ihrem alten Casio-Keyboard Auf Wiedersehen und ein paar andere Schlager gespielt. Daraufhin gab sie mir ihre goldglänzende Visitenkarte und sagte, ich solle doch mal in ihrem Palast vorbeischauen. Sie tragen in Ihren Sendungen immer ein Köfferchen mit sich rum. Ich weiß, dass Sie partout nicht verraten wollen, was sich darin befindet. Aber wenn Sie nur eine Sache in den Koffer packen dürften, was wäre das? Das wäre die Visitenkarte dieses russischen Söldners. Den habe ihn getroffen, als ich der Frage "Sind alle Russen Patrioten?" nachging. Sergej ist Leiter eines patriotischen Clubs. Er hat mir die Raketenwerfersammlung in seiner Garage gezeigt und gesagt, ich könne mich jederzeit melden, wenn ich mal ein Problem hätte. Seine Karte ist mein Talisman.    Damit kommen wir noch mal auf die Elefanten und das Glück zurück. Eine Reise hat Sie nach Thailand geführt, wo Sie, wie Sie schreiben, ein "seltenes Gefühl" erleben: Glück. Das entstand durch die enge Beziehung zu einer Elefantendame. Um den Elefantenführerschein zu machen, muss Vertrauen zu dem Tier aufbauen. Denn eigentlich könnte es einen ja zerquetschen. Ich hatte wunderschöne und innige Momente mit meinem Elefanten, habe ihn leicht am Ohr gegriffen und geführt, ihn gewaschen. Unheimlich schön. Und warum fühlt sich Dennis Gastmann sonst so selten glücklich? Naja, ich mach diese Reisen ja immer, weil mich was bewegt – vor allem so Geschichten wie "Wie stirbt es sich in Texas", in der es um die Waffenlobby und das Gorilla-Gebahren eines Staatsapparates geht. Das macht mich wütend und berührt mich tief. Satiriker sind selten richtig glücklich, das sind immer Leute, die mit ihrer Welt nicht zufrieden sind und sie verändern wollen. So einer bin ich auch.
Sie schreiben: "Ich kann nicht tanzen, ich denke zuviel". Das stimmt, ich hab den Kopf immer voll mit Gedanken und Zweifeln und ich denke immer darüber nach, welchen Schritt ich als nächstes machen will. Ich plane ganz viel: Was ich noch erleben möchte, was ich noch erreichen will. Die Erwartungen an mich sind groß: Der Sender sagt sich: „Wir schicken den Jungen ans Ende der Welt – da muss auch was bei rauskommen“. Nach all den Fragen, den Antworten und Reisen: Sind Sie schlauer als zuvor? Erfahrener auf jeden Fall. Dieses Reisen lehrt einen sehr viel. Es klingt zwar etwas abgedroschen, aber wenn man mal in den Slums war und das Elend dort gesehen hat, dann relativieren sich die Probleme zu Hause sehr schnell. Man lernt die Heimat sehr zu schätzen. Und trotzdem zieht’ s mich immer wieder weg.

GEWINNSPIEL

Wir verlosen unter unseren Facebook-Lesern drei Exemplare von Mit 80.000 Fragen um die Welt. So nehmen Sie teil: Schicken Sie uns eine Mail mit dem Betreff "Gastmann" an info@thaizeit.de und beantworten Sie uns folgende Frage: Wenn Dennis Gastmann nur eine Sache in seinen Koffer packen dürfte, für was würde er sich entscheiden? (Die Antwort finden Sie übrigens im Interview…)

Einsendeschluss ist der 6. Juli 2011. Die Gewinner werden per E-Mail benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Christoph Stockburger


Infos: Dennis Gastmann Mit 80.000 Fragen um die Welt Rowohlt Berlin; März 2011 320 Seiten www.dennisgastmann.de

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