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ES TUTWEH...

Grenzerfahrung eines Paintball-Kämpfers


Es tut wirklich weh, nicht nur die Tatsache, dass ich auf den Tag 33 Jahre alt werden musste, um endlich ein richtiger Mann zu werden. Was schmerzt, ist wohl auch, wie kindisch ich mich daran freuen kann, wenn nach diesem kurzen „Zack“, das ein Bisschen tönt wie ein Peitschenhieb, die rosa Farbe am Körper des Gegners in Schlieren runterläuft.
Als Kind spielten wir „Räuber und Poli“,  wie man in der Schweiz die beliebten Hetzjagden durch Tiefgaragen, Wohnparks, Nachbars Gärten und bei viel Mut sogar durchs nahe gelegene Wäldchen nennt. Wie sehr hätten wir uns damals so ein Ding gewünscht, das ich jetzt in den Händen halte: Einen Markierer. Und zwar einen Semiautomaten. So heißt das Ding, das aussieht wie eine Mischung aus Arnold-Schwarzenegger-Spielzeug und Spritzpistole, es fasst rund 60  Kugeln von Kaliber .68, also 0.68 inch oder 17.33 Millimeter. Doch all dieses Wissen nützt mir in dem Moment wenig, als ich meine erste Kugel zwischen die Augen kriege.

Aye Aye Sir!

Grimmig blickt der Wachposten in Militäruniform in unser Auto und lässt uns passieren. Wir sind drin. Im größten Spielparadies für post-pubertäre Männer, wo sich Wirklichkeit und Kindheitsträume zu einem tarnfarbenen Brei vermengen. Ein seltsames Gefühl beschleicht mich, als ich durch die getönten Scheiben unseres Autos draußen ganze Truppen von Thaisoldaten exerzieren sehe. Das Armeegelände im Norden von Bangkok ist groß, so groß, dass es auch Platz hat für eine Paintball-Anlage, die authentischer nicht sein könnte. Und da sind wir nun: Ein Trüppchen großer ausländischer Buben, die sich von einem pensionierten thailändischen Instruktor in bestimmtem, aber immer anständigen Ton die Regeln eintrichtern lassen. „Niemals die Maske ausziehen! Niemals!“ Während ich wie von selber ein „Aye Aye Sir“ murmle, verwandeln wir uns langsam in richtige Fighter. Unsere Jeans verschwinden in einem Spind, unsere Gesichter unter einer Sturmmütze mit Kampfmaske und zum Schluss sehen wir in unseren grünbraunen Overalls wirklich aus wie Jungs, die auf dieses Gelände gehören – oder vielleicht auch bloß wie eine schlechte Kopie der Ninja-Turtles.

Fiese Kampfsoldaten

Es ist halb sechs und eigentlich ein gewöhnlicher Dienstagabend. Und wäre es nicht der Abend meines 33. Geburtstages, würde ich mich auch nicht in dieser brenzligen Situation befinden. Ich erinnere mich an das Wäldchen aus meiner Kindheit. Es war mir schon damals mulmig zu Mute, wenn ich zu den Gejagten gehörte und zusammengekauert hinter einem halbvermoderten Scheiterbeige hockte, nur darauf wartend, dass mich plötzlich von hinten einer der Jäger ansprang und zu Boden rang. Und genau wie damals höre ich auch jetzt plötzlich mein eigenes Herz pochen und bald schon mein eigenes Blut rauschen. Statt einer Scheiterbeige ist es nun ein Bretterverschlag mit Schiessscharte, in dem ich mich verschanze und statt in Polizisten haben sich meine Freunde jetzt in richtig fiese Kampfsoldaten verwandelt, allesamt ausgerüstet mit Präzisionswaffen, gefüllt mit eben jenen 60 Kugeln von Kaliber .68. Ich erinnere mich an Filmszenen aus Platoon oder Apocalypse Now. Asiatischer Dschungel, dampfende Hitze und irgendwo zwischen den Lianen, die genauso gut Schlangen sein könnten, lauert der Feind.

Maske auf!

„Zack“! Ich schmeiße mich auf den Boden.  „Zack! Zack! Zack! Zack! Zack! Zack!“ Eine rosa Soße rinnt über mir die Holzbretter runter. Ich werfe mich zur Seite und beginne wie wild am Abzug meines Markierers zu hantieren. Zack! Zack! Zack! Zack! Zack! Zack! Ziellos ballere ich panisch in die Richtung von der die pinkfarbenen Farbkugeln weiter über mir aufplatzen. Und dann kehrt Ruhe ein. Genau wie damals hinter dem Scheiterbeige nach dem Knacken eines Ästchens höre ich nun jeden eigenen Atemzug und aus Angst, dass die herannahenden Gegner mich hören, halte ich einfach die Luft an. – Ich hebe langsam meinen Kopf an und schiebe ihn ganz leicht über den Bretterverschlag. „Zack!“ Es etwas Warmes rinnt von meiner Stirn und sammelt sich in den Augenhöhlen. Es beginnt sogleich fürchterlich zu brennen. „Maske auf!“ brüllt jemand aus nächster Nähe und erst jetzt merke ich, dass ich mir reflexartig Maske und Sturmmütze vom Kopf gerissen habe und mir die Augen reibe. „Maske auf!“ tönt es nun über mir und statt zu realisieren, was los ist, gebe ich einfach ein paar Schüsse in Richtung des Gebrülls ab. Es ist wieder still im Wäldchen. Ein Lautsprecher knackt und eine Stimme verkündet: „Game over! Feuer einstellen!“ Ich reibe die rosa Flüssigkeit, die sich mit Tränen vermischt aus den Augen, reiße meinen Overall auf und lasse die aufgestaute Hitze frei. Ich sehne mich nach einem kühlen Bier und da sehe ich ihn: Den roten Fleck auf meiner Haut unter meinem linken Schlüsselbein direkt über dem Herz. Ein Fleck, der sich in den nächsten Tagen zuerst blau und dann grün verfärben wird um schließlich in Rosatönen abzuflauen. Endlich bin ich ein richtiger Mann. Denn als Militärdienstverweigerer war es mir bis jetzt verwehrt, mich einmal auch an so was kindischem wie einen Schuss einer Farb-Platzpatrone zu freuen. Noch viel mehr freut mich aber, dass ich im Gegensatz zu den Thaisoldaten wieder ins Auto steigen und dieses Gelände des Grauens verlassen kann, um in der nächstbesten Bar ein Bier in Freiheit zu genießen. Ohne Sturmmaske und ohne Militäroverall aber bestimmt ein Jahr älter.

Pascal Nufer


Serie: THAIZEIT in GEFAHR! In Thailand muss man nach dem Verrückten nicht suchen – man fi ndet es praktisch an jeder Straßenecke. Für manchen Urlauber ist schon ein ganz normaler Markt eine Grenzerfahrung. Bei denen, die schon länger in Thailand sind, ist die Reizschwelle deutlich höher. Deshalb haben wir uns für all jene die den Nervenkitzel vermissen auf die Suche nach den letzten Abenteuern der Großstadt gemacht. Unsere Redakteure haben das zweifelhafte Vergnügen,diese zuerst für alle THAIZEIT-Leser auszuprobieren. Denn nichts bereitet uns mehr Freude, als unsere Kollegen einmal so richtig leiden zu sehen ... Paintballanlage Lab 11, Army Base, Pahonyothin Road, Sapan Mai, Bangkok http://paintballbangkok.com

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