Thailand:

Ralf Tooten erhebt Bauarbeiter zu "Shooting"-Stars

Bekannt wurde der deutsche Fotograf, der Bangkok seine Heimat nennt, mit Werken wie "Eyes of Wisdom" und "Bangkok Noir". Doch das neuestes Projekt R.C.A. übertrifft alles!



Vermummt sind sie, aber nicht kostümiert. Bedeckt bis auf die Augen, aber nicht getarnt. Versteckt hinter Brettern, aber nicht auf der Flucht.
Die Rede ist von Menschen, die von Kopf bis Fuss eingehüllt sind, nicht aber um ihrer Umwelt Angst und Schrecken einzujagen, sondern um zu arbeiten und sich vor Sonne und Staub zu schützen. Hier im Visier: Thailands Bauarbeiter!


Baustelle als Laufsteg



Wer viel in Thailand unterwegs ist, sieht sie oft - diese "Gesichtslosen", und doch übersieht man sie. Dabei verdienen sie grössten Respekt für das, was sie tun; nämlich in gleissender Hitze schicke Eigentumswohnungen und himmelhohe Bürogebäude zu bauen. Die Wanderarbeiter stammen meist aus dem armen Nordosten oder den Grenzgebieten wie Myanmar; bereit, für einen Hungerlohn keinen noch so steinigen Weg oder monatelange Mühen zu scheuen. Wer genauer hinsieht, so wie der international renommierte Fotograf Ralf Tooten, der hält inne und bleibt fasziniert stehen. Denn was sich da abspielt, auf Schmutzgelände und Baugrube, ist - modisch gesehen - wie eine Inspirationsquelle für kreative, hippe Designer.
„Kein Pariser Modeschöpfer hätte eine spannendere Kombination aus alten T-Shirts, Wollmasken und Hüten erfinden können“, sagt der Fotokünstler. Auch THAIZEIT schaute genauer hinter die Bretterzäune: farbintensive Tücher  - wie bei Beduinen locker um Haupt und Hals geschlungen - verbreiten orientalisches Flair; speziell hohe Gummistiefel könnten Vorbild sein für trendbewusste englische Gutsbesitzer, schwere Militär-Hosen erinnern an Pfadfinder oder gar an mutige Einsätze in Kampfgebieten. Im Grunde ist es auch nichts anderes für die Akteure in diesem "Schauspiel": ein täglicher Kampf ums Überleben zugunsten von Fortschritt, Entwicklung und Modernisierung des urbanen Raumes.  


Ästhetik statt Sozialkritik

"Es ist natürlich kein Zuckerschlecken, das Leben dieser Menschen, trotzdem will ich aber mit meiner Arbeit niemanden an den Pranger stellen", erklärt Ralf Tooten, dessen Werke vor allem ästhetisch visuell motiviert sind. Seine erste Fotoserie A.W.C. ("Asian Workers Covered") enstand bereits in den Jahren 2007 - 2010 und sorgte damals schon für Aufsehen. Innerhalb von drei Jahren hatte er Tausende von Menschen auf über 40 Baustellen abgelichtet. "Ich will Augen öffnen, ja. Und wenn meine Bilder durch ihre Schönheit zum Nachdenken anregen ist schon viel erreicht.“ Thaizeit berichtete ausführlich darüber im Feature "Die Farben der verlorenen Gesichter". Auch bei der Eröffnung seiner aktuellen Ausstellung R.C.A. ("Ratchaburi Construction Workers Open Air Portraits") betonte Tooten, dass die Fotos nicht in einem gesellschaftlichen oder sozialkritischen Kontext geschossen wurden, sondern ganz "rein" sind - ohne Titel und ohne jegliche Polemik. 

Ausstellungs-Fortsetzung "open air"

Erstmals verlagerte der gebürtige Rheinländer seine Fotoserie vom Profistudio an einen spezifischen Ort, und zwar "outdoor". In Zusammenarbeit mit dem Künstler und Kurator Wasinburee Supanichvoraprch und der Stadt Ratachaburi fotografierte der Deutsche erneut hunderte Bauarbeiter aus der ländlichen Region, doch diesmal sind nicht nur die fotografischen Werke anders konzipiert, sondern auch die höchst originelle Präsentation. Bis Ende Juli kann man die überdimensionalen Portraits open-air auf riesigen Plakatwänden bewundern - an Brückenpfeilern, Hauswänden, auf Fabrikgeländen und sogar auf Booten. Bilder von interessanten Menschen, die mal ernst, hart oder nachdenklich schauen, im Profil überzeugen oder aber den Betrachter verschmitzt anlächeln. Manchmal sind es auch nur die Augen, die zwischen bunten Tüchern hervorblitzen und eine ganze (Lebens)geschichte erzählen. "Die Exponate verteilen sich über verschiedene öffentliche Plätze. Für mich ist dies ein einzigartiger Versuch, meine Ausstellung und die dazugehörigen Protagonisten aus der Anonymität zu befreien und für jeden sichtbar zu machen - eben auch für Menschen, die nur Passanten sind", sagt Fotograf Ralf Tooten zu THAIZEIT. "Ich wollte, dass eine völlig neue Wahrnehmung für den Betrachter entsteht". Wer die R.C.A.-Ausstellung live gesehen hat, der kann nur bestätigen: dieses "Kunststück" ist dem deutschen Fotokünstler perfekt gelungen!

Nathalie Gütermann; Fotos: Ralf Tooten


AUSSTELLUNG
Bis 30. Juli 2013; Eintritt frei.
Tao Hong Tai : DKunst Gallery; 323 Woradej rd. Ampur Mueang; Ratchaburi. Tel: +66-818803600; +66-877089991;
Email: thtdkunst@hotmail.com
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag, 10:00 - 19:00 Uhr (und auf öffentlichen Plätzen "open air")
DER FOTOGRAF
Ralf Tooten, geboren 1958 am Niederrhein, arbeitete bereits in jungen Jahren als Set-Fotograf bei Volker Schlöndorffs “Blechtrommel”-Verfilmung. Seither hat er für zahlreiche internationale Magazine, Buchproduktionen, Ausstellungs-Projekte und Galerien gearbeitet. Sein erster Bildband – "Augen der Weisheit" – erregte weltweit Aufmerksamkeit; in Zusammenarbeit mit TV-Persönlichkeit Roger Willemsen entstand zudem das Buch "Bangkok Noir" mit 300 Nachbildern. Tooten erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den renommierten Hasselblad Master Award. Der Fotograf lebt und arbeitet in Bangkok. Web: tooten.com

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