Zum Tod von Amy Winehouse:

Thailands Entzugskloster

"Sie wollen mich in den Entzug stecken, aber ich sage No! No! No!", sang Amy Winehouse in "Rehab" – einem ihrer größten Hits. Am vergangenen Wochenende ist die Soul-Sängerin tot in ihrer Wohnung in London gefunden worden. Ob sie an den Folgen ihres exzessiven Alkohol- und Rauschgiftkonsums starb, steht nicht fest. In einem Kloster in Thailand versuchen derweil Drogenabhängige aus aller Welt, ihre Sucht zu besiegen. Die Methoden sind brutal. Wir haben mit einem Mann gesprochen, der die Tortur erfolgreich hinter sich gebracht hat.


In Thamkrabok gibt es Drogenentzug auf die harte Tour. Das Kloster im thailändischen Dschungel ist bekannt für eine Zeremonie, bei der die Abhängigen in einer Reihe knien und sich täglich in einen Abfluss erbrechen. Der englische Rockstar Pete Doherty, ein Freund von Amy Winehouse, wollte in Thamkrabok von der Nadel wegkommen. Er haute nach kurzer Zeit wieder ab.
Paul Garragin aus Irland hielt es länger aus. Der Alkoholiker wurde in Thailand trocken. In seiner Autobiographie "Dead Drunk" schreibt Garragin beschreibt er seinen Weg vom Säufer zum Astinentler.


Wir haben uns mit ihm unterhalten und erfahren, warum Saudi-Arabien, wo Alkohol verboten ist, kein gutes Pflaster für einen Alkoholiker ist und wieso er seit seiner Zeit im Kloster nicht mehr trinkt:
Paul, Du warst zwanzig Jahre lang Alkoholiker.
Ja, ich habe sehr früh mit dem Saufen angefangen. Mit 16 habe ich schon  richtig viel geschluckt. Aber anfangs sah ich das nicht als Problem. Meine Freunde sagten zwar, ich sei ein Alkoholiker – aber ich fand das eher lustig. Mit 18 bin ich dann nach England gezogen und habe in Bars gearbeitet und war nur noch betrunken. Mit 21 landete ich das erste Mal in einer Entzugsanstalt.
Wann hast Du gemerkt, dass Du abhängig bist?
Als meine damalige Freundin mit mir Schluss machte, weil ich soviel soff. Aber selbst als ich den ersten Entzug durchlief, suchte ich die Ursache für meine Probleme bei andern Leuten. Ich dachte, die gönnten mir meinen Spaß nicht. Der Entzug ging auch völlig daneben, ich trank nur noch mehr und lebte schließlich als Obdachloser auf den Straßen Londons.
Erzähl mal von dieser Zeit.
Ich hatte mich so extrem abgefüllt, dass ich einen Nervenzusammenbruch erlitt. Ich war unfähig zu arbeiten, konnte meine Rechnungen nicht mehr bezahlen und landete auf der Straße. Es kam so weit, dass ich nicht mal mehr ein Geschäft betreten konnte um mir Alkohol zu kaufen. Ich hatte Panikattacken. Für ein paar Wochen war ich wirklich verrückt.
Wie hast Du Dich aus dieser Situation befreit?
Ich hab meinen Mut zusammengenommen und in einem Obdachlosenheim um Hilfe gebeten. Die haben mich dann in eine Nervenheilanstalt eingewiesen. Ich machte einen erneuten Entzug und wurde Krankenpfleger. Zwei Jahre blieb ich trocken, dann fing ich wieder mit der Sauferei an. Aber selbst als es richtig heftig wurde, redete ich mir immer ein, dass ich doch eigentlich zu jung sei, um als Alkoholiker bezeichnet zu werden. Ich war ja erst 25. Wie viele andere Trinker war ich mir sicher, irgendwann einfach wieder normal zu werden.
Du dachtest, Du kannst das Aufhören einfach auf später verschieben?
Klar. Weißt Du, als ich mit 16 zu trinken begann, gab mir der Alkohol  Selbstbewusstsein. Ich konnte plötzlich Mädchen ansprechen und solche Dinge. Alkohol war etwas Großartiges. Selbst als es dann zum Gegenteil wurde, dachte ich, dass es irgendwann wieder so werden könnte.

Wieviel hast Du denn zu Deinen schlimmsten Zeiten getrunken? Naja, ich habe in Bars gearbeitet und schon mal 15 Pints am Tag runtergelassen. Ich begann direkt nach dem Aufstehen. Konntest Du da überhaupt noch arbeiten? Es war England, es war in den Achtzigern. Du konntest hinter der Bar mit deinen Gästen mittrinken. Die haben mich ja ständig eingeladen. Ich wurde auch gut darin, meinen Rausch zu verbergen. Mit acht Pints im Gesicht sah ich noch ziemlich normal aus. Während Du als Krankenpfleger gearbeitet hast, bist Du nach Saudi-Arabien ausgewandert, wo Alkohol verboten ist. Hast Du geglaubt, dort nicht in Versuchung zu geraten? Ja, aber das ging schief. Jeder brennt dort seinen eigenen Alkohol und das Zeug ist sehr stark. Ich begann nur noch übler zu trinken. Ich habe einen anderen Alkoholiker kennen gelernt, der auch aufhören wollte. Er hat sich zu Tode gesoffen. Schlussendlich bist Du in Thailand gelandet. Ich war dort, um Urlaub zu machen und bin dann einfach geblieben. Mein Geld habe ich als Lehrer verdient. Eigentlich kein geeigneter Ort, um trocken zu werden… Ja, der Alkohol ist billig und es gibt niemanden, der dich am Saufen hindert. Ich habe fünf Jahre in einem kleinen Dorf gelebt und war als der "Local Drunk" bekannt. Im Internet habe ich aber ständig nach Auswegen aus der Abhängigkeit gesucht und schließlich von dem Kloster Thamkrabok gelesen. Das war Deine Rettung? Ich bin auf meinem Moped hingefahren und habe mir geschworen, dass das meine letzte Chance ist. Der Doktor hatte bei mir einen Leberschaden diagnostiziert, ich wusste: Wenn du jetzt nicht aufhörst, säufst du dich ins Grab. Was ist in dem Tempel passiert? Ein Mönch sagte mir: "Dieser Tempel kann dich nicht heilen, nur Du alleine kannst es." Das Besondere dort ist aber, dass Du ein buddhistisches Gelübde ablegst: Du schwörst, mit dem Trinken aufzuhören. Die Thais glauben, dass schreckliche Dinge mit dir passieren, wenn das Gelübde gebrochen wird. Wenn du es einhältst, wird dir aber Gutes widerfahren. Dieser Schwur war ein wichtiger Teil meines Entzugs. Bekannt ist der Tempel aber vor allem wegen der Kotz-Zeremonie. Ja, an den ersten Tagen bekommst du täglich einen Kräutersaft verabreicht. Wie schmeckt das? Als würdest du einen Baum trinken. Oh.  Genau. Alle Teilnehmer knien also in einer Reihe nebeneinander vor einen Abflusskanal. Ein Mönch verabreicht jedem den Kräutersaft und dann wird gekotzt. Es dauert etwa 15 Minuten, bis alles wieder draußen ist. Diese Erfahrung ist so erniedrigend, dass dir radikal bewusst wird, wie weit dich die Sucht hat sinken lassen. Es macht dich aufnahmefähig für Hilfe. Wann hattest Du das letzte Mal das Bedürfnis, einen zu kippen? Das war vor vier Jahren. Seit ich das Kloster verlassen habe, spüre ich kein Verlangen mehr nach Alkohol. Eigentlich wollte ich nicht dieses Klischeebild vom stolzen irischen Trinker aufrollen.  Dann habe ich im Internet eine Seite gefunden, die "DeadDrunkDublin" heißt. Die Macher beschreiben sie als "Experiment, bei dem Alkohol zu einer anderen Perspektive auf die  Realität führen soll". Klingt seltsam. Aber in Irland gibt es immer noch diese große Trinkkultur, obwohl das abnimmt. Und zu meinen Helden gehören viele irische Schriftsteller, die Trinker waren. Leider wird das Trinken immer noch damit mit Kreativität in Verbindung gebracht, aber das ist einfach eine große Lüge.

Christoph Stockburger


Der Blog von Paul Garrigan: paulgarrigan.com

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