Bangkok:

Servus Herr Botschafter

Österreichs Botschafter Mag. Arno Riedel geht zurück nach Wien. Ein Gespräch zum Abschied.


Herr Magister Riedel, Sie waren vier Jahre österreichischer Botschafter in Bangkok. Wie sind Sie nach Bangkok gekommen – hatten Sie sich gezielt beworben?


Ja, ich hatte mich gezielt um Bangkok beworben. Thailand ist mir von früheren Reisen in sehr guter Erinnerung geblieben und es war immer eine Traumdestination für mich. Als sich dann mein Wunsch erfüllt hatte, war ich sehr glücklich und froh, mit meiner Familie nach Bangkok zu kommen. Natürlich haben sich Erwartungen und Realitäten nicht 1:1 gedeckt – nach vier Jahren sehe ich das Land auch ganz anders als am Anfang ... Nachdem ich zuvor sehr lange mit europäischen Angelegenheiten zu tun hatte, war es einfach schön, neue Erfahrungen in Thailand und den anderen Ländern der Region zu machen. Aber auch Europa aus einer Distanz beobachten zu können, war sehr interessant für mich. Wenn man nur in Europa weilt, kann man leicht einen eurozentrischen Blick bekommen und ein wenig außer Acht lassen, was sonst noch auf der Welt geschieht. Der diplomatische Dienst kann also auch in dieser Hinsicht einen wertvollen Beitrag leisten und Sichtweisen erweitern.

Was lieben Sie an Thailand?

Die Faszination an Thailand sind die Menschen, das ist etwas Einmaliges – eine Bevölkerung, die absolut fremdenfreundlich ist. Natürlich wird man als Botschafter ganz besonders gut behandelt. Aber ich bin kein einziges Mal in den vier Jahren unfreundlich behandelt worden, weder beruflich noch privat. „Das Land des Lächelns”, dieses Wort hat sich für mich bewahrheitet. Die Freundlichkeit der Menschen, die Bereitschaft zu kommunizieren und zum guten Umgang miteinander, das war etwas sehr Angenehmes. Und auch die landschaftlichen Reize haben mich begeistert. Meine Familie und ich sind viel unterwegs gewesen, wir haben herrliche Küsten und wunderschöne Wälder entdeckt. Außerdem bin ich ein begeisterter Freund von frischem Seafood, ich liebe Fisch und Meeresfrüchten. Dafür ist Bangkok ein toller Ort, das habe ich genossen! Ja, es war eine absolut schöne Zeit hier. Ich hätte mir allerdings gewünscht, mehr Freizeit verleben zu können. Es gibt so viele Möglichkeiten hier! Ich bin oft allein mit einem Mietwagen unterwegs gewesen. Zum Beispiel bin ich einmal allein von Chiang Mai nach Chiang Rai gefahren, entlang der Grenze, durch die Dörfer mit ihren ethnischen Minoritäten. Oder: Jeder kennt den Doi Inthanon, den höchsten Berg Thailands, den man mit dem Auto befahren kann. Aber ich war auch auf dem zweithöchsten, dem Loi Un, bei dem ist das Besteigen schon eine größere Herausforderung ... Die Nationalparks Thailands sind prachtvoll – nur leider wurden viele Bereiche abgeholzt. Die schönsten Parks sind die Unterwassernationalparks. Ich bin kein großer Wassersportler, aber ich gehe gern mal tauchen oder schnorcheln. Ich hatte herrliche Erlebnisse in der wunderschöne Andamanensee. Dieses Jahr war ich ganz im Süden, in der Satun Provinz nahe Malaysia. Die vorgelagerten Inseln waren toll, kaum entwickelt, ganz einfach – aber sehr schön und naturbelassen. Ein besonders beeindruckendes kulturelles Denkmal ist natürlich Angkor Wat. Es ist gigantisch, was da gebaut wurde und wie man es heute noch erleben kann.

Und was ärgert Sie in Thailand?

Ärgern würde ich nicht sagen. Ich habe oft mit Bedauern gesehen, wie viele Stunden man im Verkehr steht. Aber das lässt sich kaum vermeiden. Bangkok ist außerdem keine Stadt für Fußgänger – und ich bin gern Fußgänger. Also bin ich trotzdem gelaufen, zum Beispiel zu Fuß von meiner Residenz bis zum Golden Mountain und Grand Palace und zurück. Ich habe speziell in der ersten Zeit viel zu Fuß unternommen, um ein Gefühl für die Stadt zu bekommen. Aber für Mütter mit Kinderwagen wäre das natürlich unmöglich. Eine so große Stadt braucht einen radikalen Umbau, weg vom Individualverkehr. Es wächst ein Condo nach dem anderen in den kleinen Sois, alle Anwohner fahren mit dem Wagen die Kinder zur Schule, dann zum Einkaufen ... Es ist gut, dass es die Mittelschicht gibt, aber die Infrastruktur ist nicht gleichermaßen entwickelt und das wird noch gravierendere Schwierigkeiten geben.

Von Bangkok aus waren Sie nicht nur für Thailand, sondern auch für Burma, Laos und Kambodscha zuständig. Wo lagen die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?

Der Großteil meiner Arbeit war auf Thailand konzentriert. Es war aber sehr interessant für mich, die Nachbarländer kennenzulernen. Auch für die Beurteilung Thailands war es interessant zu sehen, wie die Nachbarn Thailand empfinden. Burma hat natürlich seine eigene Faszination, ein wunderschönes Land mit toller Bevölkerung aber problematischem Regime. Ich denke, von den Nachbarländern wird Burma nicht genug Aufmerksamkeit entgegen gebracht. Das Land wird als Wirtschaftspartner akzeptiert, aber während der Safran-Revolution war nur wenig Unterstützung und Solidarität in Thailand zu spüren. Und zu Kambodscha: Der Streit um den Tempel Preah Vihear, das ist ein Anachronismus! Das tut der überregionalen Zusammenarbeit nicht gut. Und zu Laos: Das Land hat mich immer fasziniert und wird unterschätzt. Laos geht einen lagsamen aber kontinuierlichen Weg, was dem Land sehr gut tut. Das Wirtschaftswachstum ist beeindruckend, wenn auch von niedrigstem Niveau aus. Sie sind auf einem guten Weg.

Während Ihrer Amtszeit gab es einige unerfreuliche Vorkommnisse und fünf verschiedene Regierungen in Thailand. Was waren die schwersten Herausforderungen für Sie?

Für die Arbeit der Botschaft war es immer dann eine Herausforderung, wenn sehr viele Österreicher im Land negativ betroffen waren. Das war der Fall nach dem Tsunami, aber auch nach der Flughafenbesetzung, als viele Österreicher hier gestrandet waren. Viele wollten rasch weg einige hatten Angst; wir hatten alle Hände voll zu tun. Den meisten Menschen, die die Lage in Thailand verfolgen, ist klar, dass das Land sich in einer Umbruchphase befindet. Gewisse Brüche passieren da zwangsweise, es ist ein Entwicklungsprozess. Auf der anderen Seite steht die thailändische Bevölkerung auf einem recht sicheren Boden und ruht sehr in sich selbst, ist in anderen Worten durch Erschütterungen oder politische Bewegungen nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Während meiner Zeit gab es sieben oder acht Außenminister und fünf Premierminister – aber es gibt mit der Tradition, der Kultur und der Religion stabilisierende Faktoren. Im Ausland, durch die Medien, wurde ein übertriebenes Bild gezeichnet. Zu Songkran haben Busse gebrannt, aber das passiert auch woanders auf der Welt. Ich bedauere, dass es Gewalt gab – jede Gewalt ist abzulehnen! Aber man soll es auch nicht überbewerten: Ich sehe nicht, dass Thailand im Chaos versinkt. Wir machen diese Erfahrungen ja auch in Europa, in Berlin, Paris, London ... Wahrscheinlich sind wir von Thailand immer nur die schöne Seite gewöhnt und daher besonders aufgeregt und enttäuscht, wenn wir hier mit Gewalt konfrontiert werden. Den Putsch kann ich natürlich nicht gutheißen, aus europäischer Sicht entspricht die Machtergreifung durch Militärs nicht den demokratischen Grundsätzen, das wollen wir eigentlich nicht. Wir wollen Regierungen, die sich demokratisch legitimieren.

Wie beurteilen Sie die politische Lage heute?

Wir machen sicher eine Krise durch, ein neues Gleichgewicht muss von den politischen Gruppierungen und Parteien noch gefunden werden.

Wie beurteilen Sie die österreichisch-thailändischen Beziehungen im Allgemeinen?

Wir sind zufrieden, dass sich in den letzten vier Jahren viel Positives entwickelt hat. Ich hatte mir einige Schwerpunkte gesetzt, zum Beispiel den politischen Bereich. Im bilateralen Bereich gibt es keine Probleme, es herrscht traditionell eine herzlich-freundschaftliche Beziehung. Wir hatten in Österreich auch Besuche auf höchsten Ebenen, Ihre Majestät die Königin hatte einen Privatbesuch in Salzburg absolviert, der Kronprinz ist auch regelmäßig in Österreich. Abgesehen davon hat sich der wirtschaftliche Bereich gut entwickelt, die Außenhandelszahlen sind kontinuierlich gewachsen, im letzten Jahr um sechs Prozent. Der Tourismus ist erstaunlich stabil, die Österreicher sind verlässliche Touristen. Ein weiterer Schwerpunkt war die Förderung der universitären Zusammenarbeit. Da haben wir mit den Partnerschaftsabkommen österreichischer und thailändischer Universitäten bereits viel erreicht. Von Thailand aus und thailändischen Studenten besteht größtes Interesse an österreichischer Musik, an Wien und Salzburg. Der kulturelle Bereich ist ein dankbares Gebiet – unsere Kulturveranstaltungen waren immer gut besucht und gefragt, zum Beispiel der Wien-Ball.

Wie beurteilen Sie das Investitionsklima in Thailand?

Von unseren österreichischen Firmen erfahre ich, dass Thailand im Kontext des regionalen Wettbewerbs ganz gut abschneidet, nicht zuletzt im Vergleich zu China. Die Freihandelsabkommen helfen, ich hoffe auch auf ein entsprechendes Abkommen mit der EU.

Wie war die Kooperation den anderen deutschsprachigen Botschaften?

Natürlich vertritt jedes Land erstmal eigene Interessen, wir hatten bei gemeinsamen Interessen aber immer eine gute Zusammenarbeit. Beispiel: In den drei Mitbeglaubigungsländern hat Österreich keine eigenen Vertretungen – aber Deutschland. Die deutschen Kollegen sind da extrem hilfsbereit.

Sie reisen dieser Tage aus Bangkok ab. Wohin geht es? Was wird Ihre nächste Aufgabe sein?

Nach zwei Wochen Urlaub in den österreichischen Bergen werde ich wieder im Außenministerium in Wien für europäische Angelegenheiten arbeiten. Eine interessante, abwechslungsreiche, neue Aufgabe, Im Zuge der letzten Entwicklungen ist Europa wieder spannend geworden. Privat freue ich mich, näher bei der Familie und den Eltern zu sein. Aber ich möchte natürlich später wieder einen Posten im Ausland haben.

Wer wird Ihr Nachfolger hier in Bangkok?

Das wird mein Kollege, der österreichische Botschafter in Hanoi, Johannes Peterlik, der die Region durch seien Tätigkeit in Vietnam schon sehr gut kennt.

Wo werden Sie 2010 Urlaub machen?

Weiß ich noch nicht, aber Thailand kommt als Urlaubsland immer in Frage. Ich werde in jedem Fall wiederkommen.

Mark Sonntag


Magister Arno Riedel Geboren am 30. September 1953 in Wörgl, verheiratet, zwei Kinder. Ausbildung an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck, der Wirtschaftsuniversität in Wien (Mag.rer.soc.) und der Diplomatischen Akademie Wien. Anschließend verschiedene Posten im Außenministerium, unter anderem Koordinator des Stabilitätspakts für Südosteuropa (2001-2002) und Leiter der Abteilung für bi- und multilaterale Außenwirtschaftsbeziehungen (2002-2003) und Leiter der Abteilung für EU-Erweiterung und Außenwirtschaftsbeziehungen in Zentral-, Ost- und Südosteuropa (2003-2005). Auslandsstationen seiner Karriere: 1982 – 1985 Erster Sekretär, Botschaft Budapest 1985 – 1987 Botschaftsrat, Botschaft Jakarta 1987 – 1990 Leiter des Kulturinstituts, Botschaft Teheran 1993 – 1998 Gesandter, Botsc0haft Rom 1998 – 2001 Botschafter in Tirana 2005 – 2009 Botschafter in Bangkok

Wie gefällt dir dieser Beitrag?

Keine Bewertung

Deine Meinung ist uns wichtig! Bewertung abgeben


Weitere interessante Artikel