Cameron Highlands:

Das Rätsel unter dem grünen Teppich

Die Cameron Highlands in Malaysia sind ein Paradies für Abenteurer und Teetrinker. Aber im Gemüsegarten der Nation liegt ein dunkles Rätsel vergraben.


Der Weg zwischen Businesskapitale und Bergdorf ist kurz und kurvig. Von Kuala Lumpur nach Tanah Rata dauert die Fahrt nur dreieinhalb Stunden, sie führt auf einem Highway übers platte Land, bis sich eine Straße abzweigt und steil durch den Dschungel hinauf bis auf rund 1300 Höhenmeter schlängelt. Hier kann man die Klimaanlage ausschalten und das Fenster runterkurbeln.
Als sich Landvermesser im Auftrag der britischen Krone vor über 120 Jahren durchs Dickicht bis auf das Hochplateau gekämpft hatten, fanden sie ein Stück Heimat: Endlich Nebel. Die Region wurde auf den Namen des  Expeditionsleiters William Cameron getauft, rasch sprach sich die Entdeckung unter seinen Landsleuten herum. In den Cameron Highlands erholte sich die verschwitzte Kolonialmacht fortan vom feuchtheißen Klima Malaysias.
Taucht man heute aus dem Wald in die offene Landschaft auf, findet man sich inmitten eines riesigen Gemüsegartens wieder. Soweit das Auge reicht spannen sich Felder über die Berge. Spargel, Salat, Wassergras – was in Malaysia in die Suppe oder auf den Teller kommt, ist meistens hier geerntet worden. Der Boden ist fruchtbar und die Temperaturen liegen das ganze Jahr um die 20 Grad.

Wo ist Jim Thompson?

Die Erträge der Gemüsefelder sind nur Beilagen – auch fürs Marketing. Der Star ist die Teepflanze. Eine dampfende Tasse Earl Grey ist nun mal glamouröser als ein Gurkensalat. Die Teeplantagen sind die Pracht der Cameron Highlands: Kilometerlange Streifen aus üppigem Grün winden sich um die Hügel – als ob über die Weinberge der Toskana ein Topf mit satter Farbe gekippt worden wäre. Wie alle Attraktionen dieser Region liegen sie unter freiem Himmel. Dschungelpfade, die auf die Gipfel von Bergen führen; Flüsse, für die man die Badehose mit ins Gepäck nehmen sollte; Pflanzen, die in Europa nur in botanischen Gärten blühen. Und irgendwo dazwischen versteckt sich die Antwort auf den spektakulärsten Vermisstenfall Asiens: dem Verschwinden von Jim Thompson. Der Amerikaner war fernab seiner Heimat eine schillernde Persönlichkeit. Im Zweiten Weltkrieg leitete er in Bangkok den US-Geheimdienst und blieb nach Kriegsende wie viele seiner Kameraden in Thailand. Allerdings begnügte er sich nicht damit, eine  Bar zu eröffnen: Jim Thompson schuf ein Seiden-Imperium und brachte es zu sagenhaftem Reichtum. Unter seinem Namen werden heute noch in zahlreichen Shops edle Tücher verkauft und seine Holzvilla im Herzen Bangkoks ist ein Museum zu seinen Ehren. Sein Schicksal entschied sich aber in den Cameron Highlands. Dort wurde er am Ostersonntag des Jahres 1967 zum letzten Mal gesehen, als er alleine zu einem Frühstücksspaziergang aufbrach. Seitdem fehlt von ihm jede Spur. Ein Tiger habe ihn gefressen, sagen die einen. Er sei verschleppt worden, sagen die anderen. Hartnäckig hält sich auch das Gerücht, Jim Thompson habe sich selbst weggezaubert, weil er in zwielichtige Geschäfte verwickelt gewesen sei. Als Ex-Geheimagent wusste er jedenfalls, wie man sich vom Erdboden verschlucken lässt. Was geschah wirklich mit ihm? Die Antwort kennt nur der Dschungel. Spencer weiß jedenfalls auch nichts Genaues. Männer wie Spencer sorgen dafür, dass es anderen Touristen nicht so ergeht wie dem Seiden-Millionär. Er ist Tourenführer und kennt sich in den Urwäldern aus wie seine Kunden in ihren Stadtvierteln. Dabei sieht der 36-Jährige mit seiner Nickelbrille und den schmalen Schultern eher nach Grundschullehrer als Indiana Jones aus. Seinen Arbeitsalltag meistert Spencer allerdings in klassischer Heldenmanier: Fest wie ein Pfahl steht er mitten in einem Fluss, das Wasser bis zu den Knien, und hilft den Mitgliedern seiner kleinen Reisegruppe, trocken ans andere Ufer zu gelangen. Von dort führt ein Pfad entlang an steilen Hängen und durch matschiges Gelände direkt in den Dschungel zum Ziel dieses Abenteuers: zwei blühenden Rafflesien.

Tea-Time auf dem grünen Teppich

Diese Pflanzen sind so selten wie Edelweiß, aber größer und bunter. „Die Rafflesia blüht nur sieben Tag lang“, hat Spencer vor der Abfahrt erklärt, „und nach zehn Tagen sieht sie nicht mehr aus wie eine Blume, sondern wie Elefantenscheiße.“ Die Gruppe kommt aber rechtzeitig und steht verdreckt und glücklich vor zwei Prachtexemplaren, rund und orange wie ein Kürbis, mit Blättern, so groß wie die Ohren eines jungen Elefanten. Die Urlaubsfotos von der Rafflesia werden die Zuhausegebliebenen beeindrucken, aber jetzt muss Spencers Gefolgschaft erst mal den Rückweg hinter sich bringen. Es gibt Verluste: „Jetzt isch’s au egal, ich werf’ sie eh weg wenn ich zu Haus bin“, sagt eine Reisende aus Baden-Württemberg zu ihrem Freund, als sie mit ihren Schuhen knöcheltief im Kiesbett eines Wasserlaufs einsinkt. Kurz darauf haben die beiden ihre Trekkinghosen gegen Badeshorts eingetauscht und hüpfen in den Fluss. Verglichen mit der Dschungeltour zu bunten Riesenpflanzen ist der Besuch der Teeplantagen ein entspannter Spaziergang – aber der Blick über die geschwungene Landschaft von endlosen Hecken ist genauso atemberaubend. 1929 sind auf den Cameron Highlands die ersten Teebäume von einem Briten gepflanzt worden, seitdem ist der englische Garten immer weiter gewachsen. Über dem „grünen Teppich“, wie die Plantagen genannt werden, thront ein elegantes Teehaus, eine Konstruktion aus dunklem Stahl und gediegenem Holz. Die Terrasse ragt weit ins Tal hinaus – hier ist rund um die Uhr Tea Time. Der Ausblick ist selbst für puristische Kaffeetrinker ein Genuss. Es gibt ein kleines Museum in den Cameron Highlands, das Time Tunnel heißt. Es berichtet von den Jahren, als die ersten Tee-Samen frisch gepflanzt waren. Eine nette Sammlung von Schwarz-Weiß-Fotos und Memorabilien ist dort untergebracht, aber für das Eintrittsgeld gibt es an anderer Stelle eine bessere Zeitreise. Gebucht wird sie im Smokehouse. Hier wohnt die Vergangenheit. In der Lobby knistert täglich ab 16.30 Uhr ein Kaminfeuer. Es taucht schwere Sessel mit grünem Lederbezug und goldfarbenen Nieten in ein sanftes Licht, seine Flammen spiegeln sich im blankpolierten Lautsprecher eines Grammophons. Die Zeit ist hier stehengeblieben, obwohl zu jeder vollen Stunde die Wanduhr schlägt. Natürlich tönt die Glockenmelodie des Big Ben. Während draußen die Sonne hinter den Teeplantagen versinkt, tauchen an der Bar die ersten Gäste auf – ein angemessener Ort, um die Eindrücke der Cameron Highlands sacken zu lassen. Ein alter Mann in feinem Zwirn schiebt sich seinen Barhocker zurecht, hält sich am Tresen fest und hievt sich auf den Stuhl. Sollte man ihn auf einen Drink einladen? Es könnte ja Jim Thompson sein…

Christoph Stockburger


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