Erfahrungsbericht:

Studieren in Thailand

Für ein Semester nach Bangkok: In einem Land studieren, in dem andere Urlaub machen. Nebenbei viele interessante Menschen, eine völlig neue Kultur und den asiatischen Lebensstil kennen lernen. Das hört sich spannend an. Ist es auch – wie dieser Erfahrungsbericht zeigt.


Ein Paar schwarz-rot karierte Flip-Flops gibt es zum Abschied von Freunden. Den Rest besorgt sich Thilo Hapke selbst: Einen gelben Sonnenhut, ein Dutzend deutsche Romane, bequeme Hosen und schicke Hemden mit Kragen: „Ich will ja schließlich einen guten Eindruck machen”. Neben dem Foto von Freundin Anna passt dann auch nicht viel mehr in den Koffer, der immerhin die überlebenswichtigen Dinge für einen fünfmonatigen Aufenthalt in Bangkok tragen soll.
Der Student des außergewöhnlichen Studiengangs „Sozialwissenschaftliche Biografieforschung” an der Ludwig Maximilian-Universität in München ist für ein Auslandssemester in Thailand am „Mahidol University International College“ (M.U.I.C.) eingeschrieben. Ein Vollstipendium des DAAD finanziert seinen ersten Trip außerhalb Europas. Für ihn „eine Fahrt ins Abenteuer”.

Angekommen am internationalen Flughafen Bangkok erwartet ihn in der gewächshausartigen Hitze der Fahrer mit Schild „Thilo Hapke“ in der Hand. Dann geht es im schicken Minivan auf dem Highway direkt ins „Green Park Home“ - eines der Häuser in zwei bewachten Wohnanlagen, in dem die internationalen Studenten des College untergebracht sind. Dort bekommt der 24-Jährige den Schlüssel zum voll möblierten Zimmer in die Hand gedrückt und findet den reibungslosen Ablauf der Ankunft fast etwas enttäuschend: „So einfach war das, das hatte ich mir viel spannender vorgestellt”. Doch vor der Tür wartet die Exotik: Haushohe Palmen zwischen kunterbunten Straßenständen, die duftende Speisen, allerlei Plastikware und gefälschte Kosmetika anbieten. Dazwischen Straßenhunde, rote Campingtische der Nudelshops und überall freundlich lächelnde Thais: „Eine völlig fremde Welt für mich“.

auswandern auf zeit

Wie Thilo Hapke wagen jedes Jahr tausende Studenten das „Aussteigen auf Zeit“, am liebsten nach England und Amerika. Doch auch Asien lockt mit attraktiven Studienangeboten, geringen Lebenshaltungskosten und traumhaften Stränden. In Bangkok werben neben dem 1986 gegründeten M.U.I.C. auch die Bangkok-Universität, die Chulalongkorn Universität und die Ramkhamhaeng Universität mit internationalen Programmen um Studenten aus der ganzen Welt: Von Betriebswirtschaft und Management über Erziehungswissenschaften, bis hin zu Politikwissenschaften, Südostasien-Studien und Medienwissenschaften. Die international anerkannten Studienabschlüsse sind Bachelor, Master oder auch ein Doktortitel. Besonders verlockend sind die Studienangebote im Tourismusbereich: Das M.U.I.C. auf dem üppig grünen Campusgelände in Salaya, rund 20 Kilometer westlich von Bangkok, bietet seinen Tourismus-Studenten sogar ein eigenes Luxus-Hotel, ein Studenten-Café und ein internationales Restaurant für interne Praktika. So können die Studenten sich in den verschiedenen Rollen – vom Zimmermädchen bis zum Café-Manager – selbst ausprobieren. Das Programm ist für Studienanfänger, international und funktioniert nach amerikanischem Vorbild: Es gibt Trimester, Midterms, Quizze und Credits. Die Unterrichtssprache ist Englisch. „Die Kommunikation bereitet mir gar keine Probleme”, sagt Anne Kathrin Bauer. Die 24-jährige Austauschstudentin aus Heilbronn belegt für ein Trimester Tourismus und BWL-Kurse und ist begeistert von der internationalen Atmosphäre des College. Gerade tauscht sie mit zwei Kommilitonen aus Washington und Hongkong Adressen aus.

im uni-dschungel

Thilo entscheidet sich neben der Einführungsveranstaltung in „Thai Kultur und Gesellschaft“ für je einen Kurs in Soziologie, Psychologie, Politik und Länderkunde. Vier Kurse gleichen 16 Credits, die er an der Uni München als ein Hauptseminar angerechnet bekommt. Doch bevor sein neuer Studienalltag losgeht, muss er sich durch den noch unbekannten Uni-Dschungel schlagen: Mit welchem der zahlreichen Busse kommt man eigentlich zum College? Wo ist die Anmeldung? Wie sind die Studienkollegen und wo gibt es denn Mittagessen? Verwirrung, Verständigungsprobleme und Verdauungsreaktionen sind zu Beginn die größte Herausforderung. Doch der Unterricht in den Seminaren fällt ihm leicht: Kleine Klassen, Rundumbetreuung und benotete Hausaufgaben: „Wieder ein wenig wie in der Schule, aber dennoch eine gute Erfahrung!“ Jeden Morgen zieht Thilo Hapke seine Schuluniform an – weißes Hemd und schwarze Hose – und fährt mit einem der öffentlichen Busse für umgerechnet fünf Cent zum College. In der Cafeteria gibt es dann erstmal Frühstück: frische Ananas und Chai Yen – orangefarbener, eiskalter Milchkaffee. Dann ab in die Klasse. Von 12.30 bis 13.30 Uhr ist Mittagspause und der Lärmpegel in der Kantine schwillt bis zur Schmerzgrenze an. An zehn Essensständen wählen die Studenten zwischen farbenfrohen, asiatischen Gerichten: „Tom Yam“, scharfe Nudelsuppe, einen Papayasalat „Som Tam“ oder doch lieber japanisches Sushi? Wer möchte, kann mit Chilisoße die Schärfe seines Essens noch steigern – Achterbahnfahrten für die deutsche Zunge sind hier vorprogrammiert. Der Nachmittagsunterricht in den mit Klimaanlage unterkühlten Räumen endet spät, erst um halb acht. Dann zieht es die Studentenhorden in eines der lebhaften Openair-Restaurants vor dem Campus. Abends fahren sie mit dem Taxi für rund einen Euro wieder ins Wohnheim, erzählt Anne Kathrin. Dort planen sie den nächsten Wochenendtrip, gemeinsame Ausflüge in die Stadt oder schauen einfach Kabelfernsehen. Viel Kontakt haben Thilo und Anne mit ihren asiatischen Kommilitonen nicht: „Die mangelnde Integration finden wir sehr schade, ich habe nie das Gefühl wirklich dazu zu gehören“, sagt Thilo. Höflich und nett erlebe er die asiatischen Studenten, aber eben auch sehr distanziert.

spaß und kultur

Von anfänglichen Kontaktschwierigkeiten kann auch Jacqueline-Maria Hitzler ein Lied singen: Für zwei Austauschsemester studiert die 24-jährige “Visual Communication” an der Silapakorn-Universität in Bangkok - und ist damit als eine der wenigen Ausländerinnen eine echte Rarität. Für ein Studium an einer reinen Thai-Universität sind gute Sprachkenntnisse unabdingbar: Die konnte Jacqueline-Maria Hitzler im Rahmen ihres Hauptstudiums – Wirtschafts- und Kulturraumstudien mit Schwerpunkt Südostasien – in Passau erwerben. Dennoch musste sie ihre asiatischen Kommilitonen erst einmal davon überzeugen, dass auch sie zu Uni-Partys und Vernissagen eingeladen werden möchte: „Ich fühlte mich hier am Anfang ziemlich alleine gelassen, aber jetzt klingelt mein Handy ständig”. Auch an den neuen Studienablauf an der „Kunstakademie Bangkoks” musste sich die selbstbewusste Münchnerin gewöhnen: Es gäbe weniger Betreuung als an deutschen oder internationalen Universitäten und die Seminare würden oft später anfangen oder in letzter Minute abgesagt: „Es ist einfach alles viel unorganisierter und chaotischer hier, dennoch ist es eine ganz tolle Erfahrung für mich”, erzählt sie. An den Wochenenden trifft sich Jacqueline-Maria Hitzler meistens mit ihren neuen Freunden von der Uni, geht in eine ihrer vielen Lieblings-Bars oder auf den Chatuchak Markt zum Stöbern. Und wenn ihr der Smog, das Verkehrschaos und die Hektik der Megacity zu viel werden, peilt die Asien-Liebende auch gern den nächsten Strand an - um einfach mal abzuschalten. Auch die internationalen Studenten des M.U.I.C. tauschen am Wochenende am liebsten ihre Uniformen gegen Badehosen aus und fahren an einen der zahlreichen Postkarten-Strände Thailands. Die nächstgelegene Insel, Koh Samet, ist in drei Stunden mit dem Bus zu erreichen. Die Fahrt kostet nur vier Euro. Aber auch Ausflüge in die Umgebung, etwa in den Dschungel von Kanchanaburi, zur Königsstadt Ayutthaya oder in die Affenstadt Lopburi stehen hoch auf der Rangliste. Die gute touristische Infrastruktur macht das Reisen im Land zum Kinderspiel. Aber auch das College bietet Kurztrips an: „Wir unterstützen die internationalen Studenten dabei, das Land und seine Kultur kennen zu lernen“, sagt Pan Ling vom „International Relations Department“, die allen Austauschstudenten täglich mit Rat und Tat zur Seite steht. Das Zentrum von Bangkok ist – je nach Verkehrslage – in 30 bis 90 Minuten zu erreichen und bietet Reisenden ohne Asien-Erfahrung den Kulturschock pur: Überfüllte Busse, hupende Taxen, quietschbunte Rikschas und Motorroller mit ganzen Familien darauf verstopfen die Gassen und Highways, die sich scheinbar völlig planlos durch die Megastadt schlängeln. Neben traditionellen Thai-Häusern und mystischen Tempelanlagen, aus denen meditative Gesänge klingen, stehen die Gerippe nie vollendeter Hochhäuser – Relikte der Wirtschaftskrise. Dazwischen wackelige Imbissbuden, lustige Krims-Krams-Läden und liebevoll dekorierte Geisterhäuschen, in denen die Thais ihre gefürchteten Geister mit Räucherstäbchen, Obst und Saft bewirten. „Bangkok ist ein einziges großes Erlebnis“, meint Thilo begeistert.Doch der Höhepunkt seines Aufenthalts ist ein Trip auf die Insel Koh Chang: „Das war meine schönste Zeit in Thailand“, erzählt Thilo. Eine Woche lang genießt er dort auf einer der größten Inseln Thailands azurblaues Wasser, puderweiße Strände und frische Kokosmilch unter der glühenden Sonne. Nicht nur geschwitzt, auch gelernt hat Thilo Hapke viel und das nicht nur im Klassenzimmer. Die Lebensfreude der Thais, ihre Gelassenheit, das im „Hier und Jetzt“ sein, sei eines der vielen Reise-Andenken, die er aus Thailand mitnehmen werde. Und am Ende seiner Reise freut er sich wieder auf das Leben zuhause in Bayern: „Einfach mit Freunden in der Kneipe bei einem Weißbier sitzen und von Thailand schwärmen.“

Thaizeit


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