YANGSHUO:

ZIMMER MIT AUSBLICK

Yangshuo ist das Schmuckkästchen Chinas und liegt in der Provinz Guangxi inmitten tausender, spitzer Karst-Hügel, die wie Drachenzähne in den vernebelten Himmel ragen.


Der Anblick ist atemberaubend, und doch gibt es nur wenige Hotelzimmer, von denen man etwas von der Umgebung sehen kann. Wir haben sie gefunden, die besten Orte mit Chinas schönster Aussicht.
Ein kleines Mädchen hockt am Straßenrand, die Hose über den Knien erleichtert sie ihre Blase in den Gulli, während ihre Mutter daneben auf sie wartet. An unserem Nachbartisch sitzt eine laute Runde junger Männer in Anzügen, die Reste auf und vor allem unter dem Tisch zeugen von einem üppigen Mahl, heruntergespült mit viel Schnaps und Bier. Völlig alltägliche Situationen in China, wie die starke Plastikfolie über der Tischdecke beweist, die die Abgestellten geübt zusammenfalten und der unbeteiligte Blick des Kellners, der den Berg Müll im Handumdrehen zusammengekehrt hat. Nimmt man die fehlenden Fremdsprachenkenntnisse der Chinesen, die hygienischen Standards und die beschwerlichen Reisemöglichkeiten hinzu, ist das riesige Reich der Mitte sicher kein „leichtes” Reiseziel für westliche Touristen.

Insel im wilden Reich der Mitte

Weil aber seit einigen Jahren immer mehr chinesische Touristen nicht nur deutsche und europäische Innenstädte besuchen und die Wirtschaft im rasanten Aufschwung ist, wird China auch bei deutschen Reisenden immer beliebter. Mit der wachsenden Zahl internationaler Flughäfen wird es auch leichter, möglichst weich in der immer noch sehr fremden Kultur der Chinesen zu landen. Yangshuo ist so ein Ort, knapp zwei Stunden vom Flughafen Guilin entfernt: Ein Städtchen mit westlichem Essen, sauberen Hotelzimmern, englischsprachigen Einwohnern, dem man seine Tradition noch heute anmerkt – auch trotz der vielen Reisegruppen, die hier jeden Tag die Straßen belagern. Das etwa 1.400 Jahre alte Yangshuo verdankt seine Popularität den unzähligen Karst-Hügeln, die die Stadt umgeben und den beiden Flüssen Li und Yulong, die den Ort umrunden. In seinem Stil ist es zwar unverwechselbar chinesisch, erinnert aber stark an andere, südostasiatische Rucksack-Städtchen mit seiner Touristenstraße, passenderweise „West Street” benannt, den Gästehäusern, Reisebüros und Cafés. Es ist mit dem Bus von Guilin erreichbar, der Provinzhauptstadt, doch die meisten Besucher kommen auf ihrem überteuerten Tagesausflug hierher, mit einem der großen Dampfer den Li hinab, vorbei an skurril geformten Felsen mit Namen wie „Neun Pferde Klippen”, „Zwergenhügel”, „Kamelkopf” oder „Walfisch”, die offensichtlich von ihrer Form abgeleitet wurden. Einmal in Yangshuo gelandet, strömen die Massen am Nachmittag durch die eben noch verschlafenen Gassen und beleben an Wochenenden bis in die frühen Morgenstunden die Bars entlang der West Street, die sich mit lauter und schneller Musik zu übertreffen versuchen. Und dennoch ist Yangshuo eine friedliche Basis und komfortable Station zum Erkunden der umliegenden Naturwunder und Bergdörfer mit seinen freundlichen Ureinwohnern. Viele Reisende bleiben hier mehr Tage als geplant, fasziniert von der Atmosphäre und erleichtert über eine „Pause” vom rauen Rest-China.

Natürliche Schönheit

Die Stadt und unmittelbare Umgebung erkundet man am besten mit dem Fahrrad, das für etwas über zehn Yuan überall ausgeliehen werden kann. Vor allem südlich der Stadt, hinter dem Yulong gelegen, sind der uralte Banyan-Baum und der weltbekannte Mondhügel „Moon Hill” beliebte Ausflugsziele mit dem Rad. Doch auch eine ziellose Fahrt durch die umliegenden Reisfelder ist eine der schönsten Erlebnisse vieler China-Reisender. Von Weltformat sind die Klettertouren der Umgebung, siehe Extra-Kasten. Um doch noch in den Genuss einer Flussfahrt zu kommen, sind wir mit dem Bus in das vom Geldschein bekannte Örtchen Xing Ping gefahren – inmitten einheimischer Marktrückkehrer bereits ein Erlebnis für sich – um von dort mit dem Boot nach Yangshuo zurückzukehren. Wer die regulären Boote verpasst, und gut verhandelt, kann hier auch einen kleinen Kahn chartern, doch bedarf es dazu schon einer gewissen Abenteuerlust. Nicht grundlos ist es den Eigentümern verboten, Touristen mitzunehmen und die Fahrt endet etwa einen Kilometer vor Yangshuo, um den offiziellen Pier zu vermeiden.

Kultur nicht nur zum Anschauen

Wer die Reize der Umgebung auch von seiner Herberge aus genießen will, etwa bei einem heißen Tee auf dem Balkon, wird aber häufig enttäuscht. Selbst Luxushotels wie das stilvoll eingerichtete Venice Hotel verkennen ihre natürlichen Ressourcen und ignorieren schlicht ihre einmalige Umgebung. Balkone, sofern vorhanden, blicken auf benachbarte Wände und die große Dachterrasse, dient. mit einem Gitter versperrt, als Ort zum Wäschetrocknen. Nur überraschend wenige Hotels bieten ein Zimmer mit Ausblick (siehe Kasten), und selbst diese unterschätzen oft die damit verbundene Werbewirkung. Wer also sein Zimmer nur zum Schlafen nutzen will, kann Ausflüge in den Reisebüros (Schmetterlingsfarm, Tropfsteinhöhlen) vergleichen oder die Sehenswürdigkeiten im Ort selbst aufsuchen. Der Yangshuo Park gegenüber der Busstation ist ein schöner chinesischer Garten samt Höhlen und Spielwiesen. Xilang Hill bietet vom Tempel auf seiner Spitze einen tollen Ausblick über den Ort. Den gibt es auch vom beliebten Lotus Peak am Pier, der Eintritt ist aber etwas teurer. Am ufernahen Ende der West Street kann man bei Zhai Zheng Guo kostenlos einen Einblick in die Seidenproduktion erhalten und natürlich Stoffe und Kleider erwerben. Auf westliche Gäste ausgerichtet ist Dr. Lily Li mit ihrer Klinik in der Gui Hua Road. Sie praktiziert Chinesische Heilkünste auf hohem Level und bietet Akupunktur, therapeutische Massage und Naturheilkunde auch als Workshops an. Neben der traditionellen Bewegungskunst geben die Meister an der Yangshuo Tai-Chi Quan School (Rong Ying Road) auch kulturelle Kurse in Kung-Fu, Feng Shui, chinesischer Schreibkunst, Mandarin, Mahjong, Yoga und vielen anderen regionalen Künsten.

Nicht nur die Land-schaft ist die Reise wert

Yangshuo bringt die Augen der Chinesen zum Leuchten, so stolz ist man im Lande auf die Schönheit seiner Landschaft. Doch auch für ausländische Gäste ist es ein beeindruckendes Reiseziel nur ein paar Stunden entfernt von Hongkong und Macao, das die Beschwerlichkeiten Chinas für einen Moment vergessen lässt. Am Ende machen die Chinesen in Guangxi mit ihrer nicht unbedingt sprichwörtlichen Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft die Reise unvergesslich. Nachdem wir unsere Kaution vom Gäste-haus in einem Schnellrestaurant in Guilin in ein Softeis umsetzen wollen, wird der Schein abgelehnt: Wir sind den weltbekannten chinesischen Fälschern auf den Leim gegangen, die auch vor ihrer eigenen Währung nicht Halt machen. Die Kassiererin lächelt unbeeindruckt: Mit einem Kopfschütteln gibt sie uns den Schein zurück – mitsamt dem Eis, als Entschädigung.

KLETTERSPASS VON WELTFORMA

Neben den vielen asiatischen und westlichen Touristen kommt noch eine weitere Spezies von Abenteuerlustigen nach Yangshuo, um nur eines zu tun: zu Klettern. Denn der kleine Ort bietet mit seinen unzähligen Kalksteinbergen, die wie Zuckerhüte aus der Ebene herausragen, fantastische Klettermöglichkeiten: Mehr als 300 Routen stehen in der gesamten Yangshuo-Region zur Auswahl – wobei die bekanntesten am „Moon Hill” mit dem spektakulären Torbogen zu finden sind, der von Todd Skinner im Jahre 1992 zum ersten Mal erklettert wurde. Wer sich hier an den „Moonwalker” wagt oder sich am „Red Dragon” versucht, wird am Ende mit einem fantastischen Ausblick auf die eindrucksvollen Kalksteinberge belohnt, soweit das Auge reicht: Zwischen den graugrünen Kegeln schlängeln sich die Straßen, kleine Siedlungen sind von malerischen Reisfeldern, bunten Obstplantagen und kleinen Teichen umgeben. Dazwischen fließen gemächlich Li und Yulong, deren Ufer mit Bambushainen und kleinen Dörfern gespickt sind. Einfach traumhaft.

Doch auch der „Low Mountain”, die „Twin Gates”, der „Baby Frog”, der „Bamboo Grove” oder das „Wine Bottle Cliff” locken mit demselben fantastischen Ausblick und Routen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Das Kalkgestein mit vielen Überhängern, Stalaktiten, kleinen Rissen und Taschen lässt hier jedes Kletterherz höher schlagen. Im Klettermekka Chinas, das mit seinen spitzen Bergen an das Kletterparadies in der thailändischen Provinz Krabi erinnert, sind die meisten Wände mit dem Fahrrad, dem Taxi oder dem öffentlichen Bus zu erreichen. Doch für Anfänger empfiehlt es sich, eine Klettertour über eine der vielen Kletterläden zu buchen. Die „Red Wall Climbing Bar” in Yangshuo etwa bietet nicht nur organisierte Touren, sondern hat auch eine eigene, 20 Quadratmeter große Indoor-Kletterwand zum bouldern. Aber auch jeder Reiseladen im Ort und die meisten Hotels bieten die Standard-Touren an (Preise vergleichen lohnt sich): Es gibt vierstündige Kletterausflüge für 20 Euro, Ganztagstouren ab 40 Euro aber auch einen kompletten 15-tägigen Kletterkurs für 300 Euro. Alle Touren werden von erfahrenen Kletterprofis angeleitet und sind inklusive Ausrüstung und Mittagessen. Dennoch empfiehlt es sich, seinen eigenen Klettergurt, Kletterschuhe und Seil mitzubringen, da die geliehenen Sachen oftmals von schlechter Qualität sein können. Die besten Monate zum Klettern sind aufgrund des angenehmen Klimas von August bis November. (utb)

Alexander Heitkamp


SCHÖNE AUSSICHTEN in YANGSHUO Faulty Towers Eines der älteren Backpacker-Hotels, Blick über Yangshou Park, 70 CNY mit Klimaanlage. Es gibt auch deutlich günstigere Zimmer und nicht alle sind so sauber. Pantao Road
YSHQJD Overseas Chinese Hotel Großes Hotel am Fluß mit vielen chinesischen Pauschalreisenden, schöne Einrichtung mit TV und Klimaanlage. Zimmer mit Dachterrasse 160 CNY, Zimmer ohne Übernachtung 88 CNY. Binjiang Road River View Hotel & Hostel Zwei Häuser am Fluß unter einem Namen, für Pauschal-, sowie für Rucksackreisende. Luxuriöse bis schöne Zimmer mit Balkon, Klima und TV und Blick auf den Fluss. 100-230 CNY (Familiensuite) Binjiang Road Monkey Jane’s Guesthouse Hohes, schmales Haus, versteckt in den Gassen am Flußende der West Street. Dachterrasse mit Rundum-Blick auf Yangshuo, Bar und Frühstück. Sehr einfache Zimmer, aber sauber. Lianfengzhongxiang Street Le Vôtre French Restaurant & Guesthouse Geschmackvolle, saubere Zimmer mit französischer Küche, Bäckerei und Brauerei. Ausblick auf die West Street, 80 CNY. Tel.: +86-773-8828040 Cafe del Moon Vormals Rosewood Café, gegenüber Le Vôtre, mit einmaligem Blick die West Street hinunter. Keine Übernachtungen, aber umfangreiches Frühstück mit Müsli und Haferbrei. Bangkok Airways fliegt direkt von Bangkok nach Guilin

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