Thailand Kultur:

Vom schönen Schädling zum Exportschlager

Als König Rama V. die Wasserhyazinthe einst nach Thailand brachte ahnte er nicht, dass die hübsche Wucherpflanze es in Windeseile zur Gefahr für die Schifffahrt bringen würde. Jahrzehntelang als zweckloser Schädling geächtet, wurde das Potenzial der Wasserpflanze unter König Rama IX. schließlich genutzt: Als Klärfilter und für die Herstellung traditioneller Flechtwaren.


Bis heute verziert sie die Flüsse im Königreich und ist für manch romantisches Stimmungsbild am Ufer des Chao Phraya bei Sonnenuntergang verantwortlich. Die Wasserhyazinthe scheint so selbstverständlich in das Flussbild der Stadt zu gehören wie die Boote selbst. Dabei schwimmt die Pflanze erst seit gut 100 Jahren im Chao Phraya.
Es war König Rama V. der die Wasserhyazinthe auf einer Reise nach Java Anfang des 20. Jahrhunderts im dortigen Botanischen Garten sah. Er war vom Anblick der Pflanze mit den schönen lilafarbenen Blüten so überwältigt, dass er sie mit nach Siam in die Gartenanlage seines Palastes und die umliegenden Klongs bringen liess. Die Pflanze erhielt den thailändischen Namen „Phak Tob Chava“ und fühlte sich schnell sehr wohl.

Doch schon nach kurzer Zeit musste man feststellen, dass sich das schöne Gewächs ohne natürliche Fressfeinde – ursprünglich stammt die Pflanze aus den Urwäldern Mittelamerikas – als schnellwachsende Wucherpflanze entpuppte. Durch die rasante Verbreitung wurde die Wasserhyazinthe schnell zu einer Plage und zu einer Gefahr für die Wasserstrassen. Eine Pflanze kann unter optimalen Bedingungen täglich zwei Ableger produzieren und so ist leicht vorstellbar, was das für die Wasserwege Thailands bedeutet. Als Konsequenz erliess König Rama der VI. eine Verordnung, die „Phak Tob Chava“ als Schädlingspflanze ersten Ranges einzustufen und ihre Verbreitung einzudämmen. Das war leichter gesagt als getan, da sich die Pflanze als extrem widerstandsfähig erwies. Weder der Versuch die Pflanzen abzumähen, noch grossflächig angelegte Feuer brachten den gewünschten Erfolg. Was also machen mit dieser hartnäckigen „Klongschönheit“? Man musste sich ihre positiven Eigenschaften zu Nutze machen. Wissenschaftler auf verschiedenen Kontinenten, erforschten bereits die Nutzungsmöglichkeiten der Pflanze und wurden schnell fündig. Beim Untersuchen der Fasern entdeckte man grosse Mengen an Protein. Kurzerhand mischte man die Pflanze kleingehackt mit Reismehl und kam so an günstiges Viehfutter. Leider keine langfristige Lösung: Wie sich herausstellte, sind die Pflanzen in der Lage Schadstoffe und sogar Ölfilme von der Wasseroberfläche aufzunehmen.

Schwimmende Kläranlage im Herzen Bangkoks

Ein Nutzen für diese Fähigkeiten war schnell gefunden. Der 1931 von Arbeitern der Königlich Siamesischen Eisenbahngesellschaft k QUOTE  nstlich angelegte Makkasan-Sumpf war über Jahrzehnte als Auffangbecken für Hochwasser, ungefiltertes Abwasser und Schmierstoffe benutzt worden. Das Resultat war ein verschlammtes, verunreinigtes und stinkendes Moloch mitten in Bangkok. Als seine Majestät König Bumiphol das Gebiet 1987 begutachtete, initiierte er umgehend die Reinigung des Makkasan-Sumpfes und seine Wiederbelebung. Es wurden Klongs gegraben und darin Reihen von Wasserhyazinthen gepflanzt. Die Pflanzen leisteten Schwerstarbeit und mussten alle zehn Wochen, kurz bevor sie den Höhepunkt ihres Wachstums erreicht hatten, ausgetauscht werden. Die Wasserqualität des 2,4 km langen und 60 Meter breiten künstlichen Sees aber konnte umgehend erheblich verbessert werden. Als Auffangbecken für Hochwasser wird der „Bueng Makkasan“ heute noch genutzt. Doch die Wasserhyazinthe hat noch ganz andere Qualitäten. Ihre Fasern sind besonders strapazierfähig und leicht formbar. Aus dieser Erkenntnis heraus wurde die Idee geboren, Teile der Wasserhyazinthen als Alternativmaterial zu Rattan und Bambus in der Möbelherstellung zu verwenden. Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Rohstoff kann aus zahlreichen Wasserwegen Thailands ganzjährig und kostengünstig abgeerntet werden und das auf unbestimmte Zeit. Um so erstaunlicher, dass es Jahre brauchte, ehe sich der Werkstoff gegen die traditionellen Baumaterialien Bambus und Rattan durchsetzten konnte. Dafür gab es zwei Gründe: Zum einen war man den Umgang mit den härteren Naturprodukten über Jahrhunderte gewohnt und darin geübt, zum anderen schrieb man der Faser der Wasserhyazinthe keine sonderlich grosse Bedeutung zu. Sie wurde zwischenzeitlich von Einheimischen sogar „Phak Pod“ genannt, was so viel wie unnütze Pflanze bedeutet. Ein langsames Umdenken erfolgte erst, als die Preise für Bambus anstiegen und Rattan seltener wurde.

Alternativmaterial in der Möbelherstellung

Die Gewinnnung und Verarbeitung der Wasserhyazinthe ist reine Handarbeit und erfordert Geschick und Geduld. Um einen Eindruck von dieser Handarbeit zu erhalten, fuhr THAIZEIT in das gut 100 Kilometer nördlich von Bangkok gelegene Dorf Baan Taa Phan in der Ang Thong Provinz. Es gehört zum von der Köningsfamilie entwickelten OTOP- Projekt (One Tambon One Product), in welchem seit über 17 Jahren vor allem älteren Frauen der ländlichen Bevölkerung die Möglichkeit gegeben wird, sich eine neue Erwerbsquelle zu schaffen. Das Hauptgebäude des Dorfes ist ein riesiges, auf Stelzen gebautes Thaihaus. Es bietet genügend Platz, dass 15 Frauen dort gleichzeitig arbeiten können. Das ganze Jahr über bringen Leute die von Hand geerneteten Pflanzen, von denen aber nur die Stiele verarbeitet werden können. Diese werden in der Sonne getrocknet, gewalzt und dann nach Farbe, Breite und Dicke sortiert. Um die trockenen Stängel zum Verarbeiten wieder biegsam zu machen, benutzt man Wasser und Wasserdampf. Und dann ist das Geschick der Flechterinnen gefragt. Eine dieser Frauen ist Nuu, die schon seit Jahren nebenher für OTOP arbeitet. Nuu ist 30 Jahre alt und im Gegensatz zu vielen Gleichaltrigen möchte sie nicht in Ayutthaya in der Fabrik arbeiten. Dort würde sie zwar mehr Geld verdienen, könnte aber zu Hause nicht bei der landwirtschaftlichen Arbeit helfen. Außerdem, das erzählt sie so ganz nebenbei, kümmert sie sich noch um ihre zwei kleinen Nichten. Nuu ist sehr geschickt beim Flechten, mit nur wenigen Handgriffen schafft sie es, die grobe Form eines Behälters zu formen. Sie erzählt und arbeitet gleichzeitig, die Routine macht’s möglich. So erzählt sie davon, dass sie gut eine Stunde für einen kleinen Behäter braucht, pro Behälter 20 Stiele verarbeitet und täglich auf fünf bis sechs Behältnisse kommt. Nach der Fertigstellung werden die Produkte in einen Holzofen gelegt und über Nacht getrocknet. Austrocknen müssen die Produkte dann an der Sonne, das braucht je nach Größe der Gegenstände und nach Wetterlage ein paar Stunden oder gar Tage. Das ist auch der Grund, warum die Trockenzeit die Hauptproduktionszeit in Anspruch nimmt. Ganz zum Schluss werden die Flechtwaren lackiert, um sie haltbar zu machen. Nur einmal im Monat kommt Nuu zum Arbeiten in das OTOP-Dorf. Sie verdient so monatlich zwischen 2.000 und 3.000 Baht und kann damit ihren Vater finanziell unterstützen.

Neues aufblühen als exportartikel

In Baan Taa Phaan werden kleinere Gegenstände wie Körbe, Handtaschen und Behältnisse auf Bestellung gefertigt. Andere Hersteller produzieren die verschiedensten Wohnaccessoires, aber auch große Möbel. Das Sortiment ist vielseitig und reicht von Bilderrahmen und Pflanzenkübeln bis hin zu Regalen, Stühlen, Tischen und sogar Betten. Der Kreativität wird freien Lauf gelassen und die einst verrufene Pflanze hat sich so im Laufe der Jahre zu einem Exportartikel entwickelt. Wenn sich bei Ihrer nächsten Klongfahrt mal wieder einige Wasserhyazinthen in der Schraube verfangen haben und Ihre Weiterfahrt verzögern, denken Sie daran: Man sieht sich immer zwei Mal im Leben – vielleicht ja demnächst als Blumenübertopf.

Julia Maehr

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Meinungen
03.03.2024 14:21
fundiert, kenntnisreich, interessant, glaubhaft und ztu empfehlen.,

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