Bangkok Insidertipps:

Zum Tee nach Indien

Ein Nachmittagsausflug nach Little India – Insidertipps


Es ist 16 Uhr, die geschäftigste Zeit im Punjab Sweet Café. Männer in Turbanen drängen zum Nachmittagstee in den kleinen Laden. Auf den Tischen dampfen herzhafte Snacks. Es riecht nach Bohnen, Kümmel und Nelken, vermischt mit dem süssen Duft der Leckereien, die in der angeschlossenen Bäckerei verkauft werden. Frauen in bunten Saris kaufen Marzipan-ähnliche Süssigkeiten und silberfarbene Gebäckstücke. Aus dem Fernseher dröhnt die neueste Bollywood-DVD. Zwei kleine Mädchen spielen in der Ecke und zeigen sich kichernd ihre neuen goldglänzenden Armreifen.
Wir sind in Indien – und das mitten in Thailand. Das beliebte Traditionscafé „Punjab Sweet“ liegt im Viertel „Pahurat”, im sogenannten „Little India“ Bangkoks.
Mitten im Trubel treffen wir die 23jährige Orapin Kiatvacharapong, Spitzname Appu. Die Studentin ist als Kind indischer Eltern in Thailand geboren. Wie viele Menschen in der Metropole Bangkok lebt sie irgendwie zwischen mehreren Welten: sie ist vom Pass her Thailänderin, ist in Bangkok aufgewachsen und zur Schule gegangen. Mit ihren Freunden und Geschwistern spricht sie englisch, mit ihrem Grossvater die indische Panjabisprache, Sie wohnt in Bangkoks schickem Expatviertel nahe der Sukhumvit Strasse, kommt aber oft ins Strassengewirr nach Little India. Ihre Schwester, ihr Onkel und ihr Grossvater haben Geschäfte dort.
„Ich bin irgendwie auch Touristin hier“ sagt sie lachend „aber eine Touristin, die sich gut auskennt und alle geheimen Ecken und besten Orte kennt!“ Sie nimmt mich mit auf einen Insider-Bummel, zeigt mir „ihr“ Indien in Bangkok.

Stoffe, stoffe, stoffe!

Little India ist berühmt für Stoffe und Textilien. Seide, Leinen, Woll- und Dekostoffe bis hin zu kunstvoll verzierten und bestickten Schleiern, die bunten Ballen stapeln sich an den Ständen im Pahuratmarkt. In einer kleinen Gasse arbeitet Appus Schwester Jasmine im Geschäft der Schwiegermutter. Sie verkauft Stoffe von 40 bis 1000 Baht pro Meter. Oft kommen Ausländer, die sich Gardinen nähen lassen oder sie lassen sich beim Schneider in der Nähe Kleider machen. „Man muss handeln“ sagt Jasmin „Es gibt natürlich schwarze Schafe unter den Händlern hier, die die Touristen beim Preis übers Ohr hauen wollen, aber zumindest beim Fabrikat wird man auch als Unkundiger hier nicht angelogen. Wer echte Seide will, bekommt auch echte Seide.“ Auf der anderen Seite der Strasse – vorbei an den Auslagen mit buntglitzerndem Schmuck, mit unzähligen Haarspangen und künstlichen Ansteckblumen – stellt uns Appu ihren Grossvater vor: Mr. Harjit Singh Kukreja, ein Respekt einflössender alter Herr. Wie alle traditionellen Sikhs hat er sich in seinem Leben noch nie die Haare geschnitten. Den Bart hat er nach hinten unter den Turban gekämmt. Vor 60 Jahren ist er nach Bangkok gekommen. Hier auf dem Pahuratmarkt ist sein Laden für Schleier und bestickte Stoffe seit 30 Jahren eine regelrechte Institution. Tipp: aus den Zierstoffen lässt sich wunderschöne weisse Bettwäsche nähen – wesentlich günstiger als die fertige in den Geschäften. Preise zwischen 60 und 1700 Baht der Meter. Appu zieht mich weiter, vorbei an Räucherstäbchen, Sandalen, bunten indischen Götterbildern und –statuen. An einer der lautesten Strassenecken steht eine kleine Küche, die ich wahrscheinlich übersehen hätte. Appu aber stellt mir Papa Samosa vor. „Der beste Stand, um leckere Samosas zu kaufen!“ – die fritierten mit Kartoffeln gefüllten indischen Teigtaschen. Bis zu 800 Stück pro Tag verkauft der 38jährige in seinem Familienunternehmen. Angesichts des Erfolgs hätte er sich schon längst einen richtigen Laden mieten können, kommt aber nicht in Frage für ihn. „Wie sollen die Leute uns denn woanders finden? Mein Opa war der erste Papa Samosa, wir stehen seit über 30 Jahren genau hier an dieser Ecke. Das ist so praktisch für die Leute, die nach dem Besuch im Tempel was essen wollen.“ Nach einem Biss bin ich überzeugt: bessere Samosas gibt es sicher auch in Indien nicht. 5 Baht kostet eine Teigtasche.

bollywood ab 50 baht

Die Finger noch fettig winkt mich Appu in ein Geschäft nebenan: Sunny Videos. Ab 50 Baht (1 Euro) kann man hier unzählige Bollywoodfilme kaufen. „Meine Schwestern und ich lieben die kitschigen Tanz- und Liebesfilme!“ gesteht Appu „was das angeht, bin ich eine echte Inderin!“ Die meisten DVDs gibt es auch mit englischen Untertiteln, so dass man auch als Ausländer bei den schnulzigen Schinken mal zugreifen kann. Die Besitzerin hat alle Filme selber angeschaut und berät gerne. Eins ist sicher: Happyend ist garantiert! Vor der Tür sitzt ein eher schmuddelig aussehender Mann an einem Tisch und rollt kleine grüne Blätter mit bunten Kügelchen. Als ich  fragend stehen bleibe, erklärt mir Appu diese Spezialität. Pan heisst sie. Auf die Blätter legt man eine wilde Mischung aus Zuckerperlen, Tabak, Rosenmarmelade, Nelken, Kümmel und vielen mir unbekannten Zutaten...rollt sie zusammen  - und isst sie!! Ich zögere kurz und beisse dann tapfer rein und....erlebe eine Geschmacksvielfalt, die sich nur schwer beschreiben lässt! Süss, scharf, minzig, bitter.....nein, lecker ist es nicht! Aber ein wirkliches Erlebnis! Als ich den Rest unauffällig wegwerfe, lacht Appu und gesteht, sie selbst möge Pan auch überhaupt nicht! Wir machen Zwischenstation im Café und spülen den Geschmack mit einem indischen Masalatee weg. 10 Baht der Becher. Masalatee mit Milch lässt sich für Deutsche am besten mit der Geschmacksbeschreibung „weihnachtlich“ beschreiben! Dazu probiere ich eine andere Spezialität des Hauses: Papri Chart , eine Art süss-saurer Kartoffelsalat mit Kichererbsen, Joghurt und Puderzucker. Ungewöhnlich, aber wirklich gut.

im indischen tempel

Zum Schluss des Nachmittags nimmt mich Appu in den Tempel mit: Alleine hätte ich mich sicher nicht bis in alle Stockwerke getraut, aber Touristen sind hier gerne gesehen. Kein Problem, man muss nur die Schuhe ausziehen und ein Kopftuch umbinden. Es ist der grösste Sikh Tempel ausserhalb Indiens. Appu zeigt mir stolz den Raum, in dem sie im kommenden Jahr heiraten wird! Mit ihr lege ich eine Münze vor den Tisch mit den heiligen Büchern und verneige mich. Ein Mann gibt uns süsses Gebäck als Dank der Götter. Schon wieder ein fremdartiger Geschmack, den ich nicht beschreiben kann! In einem der oberen Stockwerke sitzen Männer auf thronartigen Betten und lesen leise aus den Schriften. Fotografieren ist erlaubt, man kennt keine Berührungsängste hier, Fragen zur Religion und Tradition werden gerne beantwortet. Es ist schon dunkel, als wir wieder auf die Strasse treten, auf die indische Strasse mitten in Bangkok. „Ich fühle mich nicht zerrissen“ erklärt Appu „ich bin einfach auf der ganzen Welt zuhause!“ – und an Nachmittagen wie diesen in Bangkok fühle ich mich genauso wie sie. Da liegt Indien zwischen China und Thailand – und ich als Deutsche bin einfach mittendrin.

Christina Holzemer


Adressen Punjab Sweets 311-1 A Soi ATM, Pahurat, Bangkok 10300 Tel. +66 (0) 818 693 815 Tel. +66 (0) 2623 7457 Sunny Video 341 Chakraphet Road, Soi ATM, Pahurat, Bangkok 10300 Penang Silk (Jasmine) 221 / 15 Pahurat Road, Bangkok 10200 K. Santi (Appus Großvater) New Charoen Store, 376 Paruhat Road Bangkok 10200 Anreise Am besten mit der Metro bis Hualamphong und dann Taxi zum Pahurat Market. Oder Express-Boat, Anlegestelle: Memorial Bridge (Saphan Puut)

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