DAS DISCOVERY MUSEUM in Bangkok:

AUF DEN SPUREN DER THAIS

Mit der Eröffnung des multimedialen Museum Siam gibt Bangkok den Startschuss für eine neue Generation von Museen, die den internationalen Vergleich nicht scheuen brauchen. Wir haben uns auf die Zeitreise begeben.


Eine reiche Khunying steigt mit Schmuck und edlen Kleidern behangen aus ihrer Limousine und kläfft in ihr Handy: „Wir wollen auf keinen Fall irgendwelchen Schnickschnack, der von den traditionellen Werten der Thai-Kultur ablenkt!“ ruft sie und steht im nächsten Moment als halbnackte Schamanin im Suvannabhumi der Bronzezeit. Mit einem Zaubertrank treibt sie einem Jungen seinen Dämonen aus, bevor uns der Zeitenstrom zu anderen Zeitgenossen und ihrer Vergangenheit zieht: Etwa einem Mönch, der einst Kriegselefanten ausbildete, zu einer jungen Frau beim shoppen, die vor hunderten von Jahren mit einem nutzlosen Saufbold verheiratet war, oder zu einem Zinkgießer, der heute Essen auf der Straße verkauft: „Was ist eigentlich Thai Food? – Schwer zu sagen, eben eine Mischung aus Vielem“ sinniert er über seinem Wok und gibt damit das Leitmotiv des Discovery Museum vor.

WAS IST EIGENTLICH THAI?

Mit diesem Kurzfi lm beginnt unsere Reise durch das alte Siam, seine Menschen und dem Erklärungsversuch der Thai-Kultur. Die erste Überraschung war die kritische Betrachtung der Frage „Was ist Thai?“ schon im ersten Raum nach dem Vorführzimmer: Chinatown, Geldautomat und ein Rucksacktourist mit einem typischen westlichen Wai sollen zum Nachdenken anregen – nicht unbedingt eine Stärke der gemeinen Bildungseinrichtungen in Thailand. Die Präsentation zielt dabei ganz klar auf thailändische Landsleute ab, die Kulisse ist für die in Thailand typischen Erinnerungsfotos eigens begehbar gestaltet: Ob im Tuktuk sitzend, hinter der Garküche stehend oder im Gruppenfoto mit Thaiboxern, im Zimmer „Typically Thai“ ist alles kompatibel für das Familienalbum. Doch wirklich alle Räume sind auch ausdrücklich für Touristen gestaltet, kein Schild bleibt ohne Übersetzung und alle interaktiven Elemente haben mindestens englische Untertitel. Wir werden die Charaktere des Einführungsfilms später wieder treffen, im Südostasien-Saal, im Kriegszimmer oder im Kartenraum. Mit unterhaltsamen Filmen wird hier Geschichte und Alltag der Ureinwohner Thailands erklärt und fast immer darf selbst Hand angelegt werden. Die Gebeine unserer Medizinfrau finden wir im dritten Stock wieder, wo wir in einer Projektion ihr Begräbnis mit der Schmückung ihres Grabes miterleben dürfen, bevor der Film langsam ausblendet und die wirklichen Knochen aus dem Schaukasten hinter der Leinwand erkennbar werden – gruselig schön gemacht. Ein paar Schritte weiter dürfen wir selbst Archäologe spielen und mit einem interaktiven Pinsel die Vergangenheit Siams aus dem Sand fegen. So sind die interaktiven Elemente im Museum Siam keine Instrumente zum Selbstzweck, sondern dienen mit viel Witz und einem frischen Blick tatsächlich der Aufklärung und Erziehung. Suvannabhumi (sprich: Suvannabuhm), Goldenes Land, heißt das Gebiet in dem auch das alte Siam lag. Modernen Reisenden muss man erst erklären, dass es sich dabei nicht um den neuen Flughafen handelt, sondern der Begriff einst für Südostasien verwendet wurde, dem Land hinter Indien. Im Museum wird deshalb die Vielfalt der thailändischen Kultur beschworen, seine vielen Sprachen vorgestellt und die Geschichte seiner Bevölkerungsgruppen. Klar: wer wirklich etwas lernen will über die Vergangenheit, wird um die Lektüre entsprechender Bücher nicht herumkommen, doch dabei geht es dem Museum Siam auch gar nicht. Wir sind hier für eine Erlebnisreise in der Geschichte zum Anfassen gezeigt wird und um zu erfahren wie das frühere Leben unsere heutige Wahrnehmung Thailands steuert. Der Beginn des westlichen Einfluss wird mit einem Plan der „New Road“ (schon damals hatte Bangkok eine Straßenbahn) und einer Gaststätte im 60 er-Jahre Look begreifbar gemacht. Auch das Ende der absoluten Monarchie wird thematisiert statt ignoriert.

AUF KINDER EINGESTELLT

Obwohl kein ausgesprochenes Kindermuseum, ist das Museum Siam ganz klar auf die kleinen Besucher vorbereitet: Viele computeranimierte Spiele zeigen das Leben der Händler zur Zeiten der großen Entdecker. Höhepunkt aber ist die echte große Kanone, mit der auf einer interaktiven Leinwand feindliche Angreifer abgewehrt werden müssen – Schwerstarbeit, die mehr als zwei Hände erfordert. Mit Ausnahme der fi ligranen Modelle alter Siedlungsformen und der schwebenden Bootsprozession des Königs sind fast alle Ausstellungsstücke zum Anfassen, ein klares Konzept gegen die „No Touch“-Mentalität, mit der ältere Generationen groß geworden sind. Kreatives Lernen heißt das Programm, das auch Erwachsenen Spaß beim Entdecken macht. Am Ende steht einmal mehr die Frage nach dem Thailand von gestern, heute und morgen im Raum. Im Einführungsfilm ließ der Vater die Frage seiner Tochter noch unbeantwortet: „In der Schule haben sie gesagt ich sehe gar nicht Thai aus – ich bin doch Thai, oder?“ Die Antwort gibt dafür das Museum durch alle Epochen, alle Räume: Thailand hat eine lange Tradition fremder Einflüsse, die nicht immer populär sind in der öffentlichen Debatte. Sei es das Kickboxen, das eigentlich aus Kambodscha stammt oder die dominanten, mehr oder weniger modernen Merkmale westlichen Lebenswandels. Das Museum Siam macht einen ersten Schritt zu einem aufgeklärten Selbstverständnis für die junge Generation, aber auch viel Spaß für alle anderen, die etwas über die Geschichte Thailands erfahren möchten.

Alexander Heitkamp


Das Museum Siam ist in einem ehrwürdigen Gebäude nach italienischer Architektur untergebracht, dem ehemaligen Handelsministerium. Es liegt an der Sanam Chai Road, nahe dem Ost-Ausgang des Wat Pho: Nur einen kurzen Fußmarsch Richtung Süden entfernt steht das gelbe Gebäude an der rechten Straßenseite. Öffnungszeiten: 10-17 Uhr außer montags, Eintritt bis auf weiteres frei. Achtung: Die Parkgebühren übersteigen schon nach wenigen Stunden die Kosten einer Taxifahrt in Bangkok. Thai-Homepage: www.ndmi.or.th

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