Thailand Kultur:

Als deutscher Soldat in Bangkok

Interview mit Verteidigungsattaché i. G. Oberst Pauels.


Herr Oberst Peter Pauels, wie ist Ihre offizielle Bezeichnung und Position?


Ich bin Verteidigungsattaché und leite den Militärattaché-Stab, der aus mir als Leiter, einem Fregattenkapitän als meinen Stellvertreter und einem Hauptfeldwebel als Büroleiter besteht. Bangkok ist ein Regional-Attaché-Stab, ich habe Neben-Akkreditierungen in Singapur und Vietnam.

Wo kommen Sie militärisch her?


Ich bin Heeresoffizier, genauer gesagt Offizier der Panzergrenadiertruppe. Ich war u. a. in der 1. Gebirgsdivision, später in verschiedenen Verwendungen im Generalstabsdienst, bei der NATO, im Führungsstab der Streitkräfte und Militärattaché in der Schweiz. Zuletzt war ich als Abteilungsleiter für globale Proliferationskontrolle (Kontrolle zur Verbreitung von Massenvernichtungswaffen) weltweit zuständig. Und seit September 2010 bin ich nun in Bangkok.

Was ist Ihr Aufgabenfeld?

Wir vertreten die Interessen des deutschen Verteidigungsministeriums in Thailand und wir sind der Ansprechpartner für Thailand in den Bereichen, wo deutsche militärische Interessen berührt werden. Ich spreche hier mit dem Generalstab, dem Verteidigungsministerium und den Vertretern von Heer, Luftwaffe und Marine. Zum Beispiel werde ich in der kommenden Woche einen Staatssekretär aus dem thailändischen Verteidigungsministerium treffen, der sich über die Aufstellung der Bundeswehr bezüglich Zeit- und Berufssoldaten informieren möchte. In Thailand gibt es nämlich noch keine Zeitsoldaten. Hier beraten wir gern. Deutschland und Thailand haben auf militärischer Ebene ein gutes Verhältnis, Deutschland hat hier einen guten Ruf. Und natürlich berichten wir nach Berlin, wie sich die Sicherheitssituation entwickelt. Wir beobachten die Aufrüstung Chinas und bauen dazu ein Lagebild auf. China liefert beispielsweise Rüstungsartikel an gewisse Länder und sichert sich durch große Infrastrukturprojekte Zugänge zu den südlichen Meeren. Das wirkt auf viele Anrainer bedrohlich – die ASEAN-Staaten haben aber noch gar keine gemeinsame Sicherheitsarchitektur. Außerdem sind die USA in der Region militärisch sehr präsent. Und China hat mit einigen seiner Nachbarn immer wieder Grenzauseinandersetzungen. Dabei geht es um Ressourcen, strategisch wichtige Orte, Handelswege. Wirtschaftliche Interessen werden von China zunehmend mit militärischem Druck untermauert. All diese Entwicklungen müssen wir beobachten. Der deutsche Militärattachédienst ist ein Instrument der Krisenvorsorge; weltweit eingesetzt, um Strömungen aufzunehmen und zu bewerten. Die Frage, welche Bedeutung eine Straße durch Laos fürs Gesamtgefüge hat, kann man am besten beurteilen, wenn man sich in der Region befindet. Deutschland ist aus vielen Gründen an stabilen Verhältnissen interessiert, nicht zuletzt auch aus wirtschaftlichen Interessen. Aber wir achten auch auf soziale Faktoren und die Einhaltung der Grundrechte. Ferner sind wir als Exportnation auf freie Seewege angewiesen und wollen unsere Staatsbürger im Urlaub in Sicherheit wissen.

Wo arbeiten Deutschland und Thailand militärisch zusammen?

Zum Beispiel bei der Ausbildung. Die Ausbildungsbeziehungen bestehen seit mehr als 50 Jahren. Pro Jahrgang sind 7-10 Offiziersanwärter in Deutschland, die zuerst am Bundessprachenamt Deutsch lernen und danach in die Offiziersausbildung bei der Bundeswehr gehen. Nach Abschluss der Ausbildung studieren die Soldaten an den Bundeswehruniversitäten in Hamburg oder München. Mittlerweile sind gut 150 Offiziere der thailändischen Streitkräfte in Deutschland ausgebildet worden. So gibt es auch eine gewisse Zahl von hochrangigen Generalen und auch einen Staatssekretär, die aufgrund ihrer guten Erfahrungen in Deutschland weiterhin den Kontakt suchen und halten und mit denen ich mich auf Deutsch unterhalte. Wir haben auch immer wieder deutsche Soldaten, die hier in Thailand in einer Ausbildung sind. Zum Beispiel wird uns demnächst eine Oberfeldärztin zukommandiert, dieser Dienstgrad entspricht einem Oberstleutnant, die hier ein einjähriges Zusatzstudium über Tropenmedizin aufnehmen wird.

Gibt es eine militärische Allianz zwischen Deutschland und Thailand?

Es gibt keine militärischen Allianzen im Sinne von Beistandsverpflichtungen zwischen Deutschland und Thailand.

Was für humanitäre militärische Herausforderungen gibt es in der Region?

In meiner bisherigen Position als Abteilungsleiter für globale Proliferationskontrolle habe ich bereits mit dem Thema zu tun gehabt: Es geht um Minen und Blindgänger, zum Teil aus der Zeit des Vietnamkriegs. Diese sind nach wie vor in Thailand, vor allem aber in Kambodscha ein Problem.

Wie präsentiert sich die thailändische Armee Ihnen, fast fünf Jahre nach dem letzten Putsch?

Derzeit ist die Armee bemüht zu zeigen, dass sich Thailand weiterhin demokratisch entwickelt und dass die Armee sich nicht massiv in politische Angelegenheiten einmischt. Wir sind in einer Phase der politischen Konsolidierung. Diese Angelegenheit ist politisch sehr wichtig und hat natürlich auch Auswirkungen auf die Handelsbeziehungen zwischen Thailand und Deutschland – welche Waren können in welche Region geliefert werden? Das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle hat klare Anweisungen und setzt diese auch um.

Und wie gehen Sie mit den Kameraden in der thailändischen Armee um, die zum deutschen Alumni-Netzwerk gehören?

Es gibt zum Beispiel Ehemaligentreffen der in Deutschland ausgebildeten thailändischen Soldaten, als Oktoberfest oder Fußballspiel, wo ich auch eingeladen werde. Da zeigen die Thais stolz ihre Lederhosen! Es entsteht so ein intensiver Kontakt, der auch fortgesetzt wird. Auch bestehen gute Beziehungen zwischen Deutschen und Thailändern, die an den Bundeswehruniversitäten gemeinsam studiert haben.

Macht es Ihnen Spaß im Ausland eingesetzt zu sein?

Es ist eine besondere Herausforderung. Und eine wertvolle Erfahrung, das Heimatland einmal von außen betrachten zu können. Die Probleme, die wir in Deutschland haben, relativieren sich teilweise sehr schnell. Wir leben in Deutschland in einem fantastisch organisierten Staat und genießen beispielsweise eine große Rechtssicherheit. Ich mag Thailand, ich bin im Vorfeld am Bundessprachenamt 18 Monate im Einzelunterricht in Thai ausgebildet worden und das Besondere daran war, dass ich durch einen Thailänder auch über Land und Kultur geschult wurde. Heute in Bangkok sind mir Taxifahrer wichtig. Hier bekomme ich ein ungeschminktes Bild der Dinge. Ich frage oft, ob der Fahrer von seinen Einkünften leben kann. Die meisten können das nicht und erzählen dann von ihrem zweiten Job oder ihren Familienverhältnissen. Ich frage auch nach, ob der Fahrer seine Stimme bei der Wahl verkaufen würde. Viele antworten mit „Ja”.

Mark Sonntag

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