Bangkoks bester Bond-Drink:

Gerührt, niemals geschüttelt!

Zwei Mitglieder der THAIZEIT-Redaktion zogen aus, um in Bangkok eine ungewöhnliche Testreihe durchzuführen: Sie suchten nach dem besten Martini-Cocktail – dem Klassiker unter den Cocktails.


Der Martini-Cocktail ist Mythos und Klassiker gleichermaßen und das seit mehr als 120 Jahren. Hat sich sein Rezept auch über die Zeit immer wieder ein wenig verändert, so war er doch nie eine Modeerscheinung und verweigert sich seit jeher erfolgreich dem so häufig strapazierten Zeitgeist.
Dabei findet er seit seiner ersten Erwähnung im Jahre 1888 in jeder Generation seine Liebhaber. Schriftsteller, Sänger und Künstler haben sich seiner in ihrem Werk immer wieder angenommen. Ernest Hemingway, William Faulkner, Dorothy Parker oder auch Dean Martin sind nur einige Beispiele für diejenigen, die ihr klares Bekenntnis zum Martini immer wieder in mehr oder weniger blumige Worte zu fassen wussten. Aber auch Politiker konnten sich seinem Charme über die Jahre kaum entziehen. Wie wäre es wohl sonst zu erklären, daß im Jahre 1933 ausgerechnet das Ende der amerikanischen Prohibition im Weißen Haus mit Martinis begossen wurde?


Wir wollten herausfinden, wie es nun um diesen Klassiker bestellt ist in einem Land, das sonst eher für seine süßen, mit frischen Fruchtsäften zubereiteten Drinks bekannt ist. Vielleicht können wir Sie ja auf diesem Wege auch einmal für den Klassiker begeistern, oder Ihnen zumindest Lust machen, einmal wieder einen Abend mit der ein oder anderen anregenden Mix-Kreation zu verbringen.
Um gleich mit einem unter Laien weit verbreiteten Mißverständniss aufzuräumen: Ein Martini-Cocktail hat nichts mit dem landläufig als Martini bezeichneten Bianco des großen italienischen Spirituosenherstellers zu tun. In einen klassischen Martini-Cocktail gehören Gin, Vermouth und ... nichts. Gar nichts! Welche Sorten Gin oder Vermouth dabei verwendet werden, ist erst einmal völlig nebensächlich und in der Regel von der persönlichen Vorliebe abhängig.

Frei nach Geschmack


Ob Sie Ihren Martini-Cocktail dann mit Oliven, einer Perlzwiebel (dann heißt er Gibson), Radieschen (genannt Murphy) oder einem Stück Zitronenschale genießen, bleibt ganz Ihrem persönlichen Geschmack überlassen. Auch immer beliebter ist es in letzten Jahren geworden, einen Schuß des Olivenwassers beizumischen, dann spricht man von einem „Dirty Martini“. Der besseren Vergleichbarkeit halber (und der persönlichen Vorliebe unserer Tester folgend) testeten wir den klassischen Martini-Cocktail in der Version mit Oliven. Eine Geschmacksfrage ist es dagegen nicht, wie der Klassiker zubereitet wird. Nämlich mit Eiswürfeln, gerührt in einem Bar-Glas – niemals mit Crush-Eis. Dieses verdünnt den Martini nur unkalkulierbar mit Wasser. Kein wirklicher Kenner akzeptiert einen zu sehr mit Wasser verdünnten Martini. Denn Martini besteht, im Gegensatz zu vielen anderen, fruchtsafthaltigen Cocktails, ausschließlich aus Spirituosen. Verdünnt man diese mit Wasser, leidet unweigerlich der Geschmack.

Hier liegt der Grund für einen der wohl bekanntesten Irrtümer der Filmgeschichte: Ein gewisser Geheimagent im Dienste Ihrer Majestät bestellt seinen Wodka-Martini angeblich immer „geschüttelt und nicht gerührt“. Seitdem wurden Generationen von Barkeepern mit eben diesem Satz gequält und haben mittlerweile jeden Versuch eingestellt, fanatischen Filmfans die Feinheiten der Martini-Zubereitung näherzubringen und Ihnen den Irrtum ihres so verehrten Helden zu erklären. Dabei ist das Missverständnis schnell aufgeklärt. Ian Flemming, der Autor der James-Bond-Reihe, trank seinen regelmäßigen Cocktail am liebsten an der Bar des altehrwürdigen Londoner Dukes Hotels. Bei einer dieser Gelegenheiten schnappte er dabei bei einer Bestellung am Nebentisch das seitdem legendäre „shaken, not stirred“ auf, und verwendete es fortan als Erkennungsmerkmal für seine Romanfigur. Allerdings wird ein korrekter Martini-Cocktail niemals geschüttelt. Die Eiswürfel brechen und dies verdünnt wieder den Alkohol mit Wasser, genau wie beim Crush-Eis. Und seien wir mal ehrlich: Harte Männer wie jener Geheimagent hätten es doch eigentlich nicht nötig, ihren Drink mit Wasser zu verdünnen.

Kleines Einmaleins

Doch genug der Theorie – auf zur Praxis und ran die Gläser: Eigentlich sollte der Martini Cocktail für jeden Bartender zum kleinen Einmaleins seines Berufes gehören. Leider mussten wir jedoch bei unserem Test feststellen, dass teilweise selbst die einfachsten Grundbegriffe nicht beherrscht wurden.
Da gab es zum Beispiel die Bar im Club 87 des Conrad Hotels. Ohne vor Scham rot zu werden, wurde hier unser verehrter Martini Cocktail mit eben dem fatalen Crush-Eis zubereitet. Das Ergebnis war eine ungenießbare, verwässerte Brühe, die den Namen nicht einmal verdiente. Ein Sakrileg für unsere Tester und ein Grund, verstört das Weite zu suchen. Glück im Unglück für das Conrad: Der Club 87 hat mittlerweile seine Pforten geschlossen und wurde deshalb bei uns aus der Wertung genommen. Der Martini Cocktail der im gleichen Haus beheimateten Diplomat Bar schloss hingegen sehr gut ab und konnte uns mit der Örtlichkeit versöhnen.

Sensationelle Oliven

Auch gute Oliven sind in Bangkok offenbar schwer zu finden. Einmal mussten wir sogar den ganzen Drink zurückgehen lassen – die Oliven grenzten an Körperverletzung! Wir stiegen dann doch lieber auf die Zitronenscheibe um. Aber es gab auch sehr positive Beispiele. In einer anderen Bar fanden wir Oliven, die buchstäblich jedem griechischen Olivenhain zur Ehre gereicht hätten. An anderer Stelle wurde ein Glas kredenzt, welches in einem weiteren mit Eis gefüllten Glas serviert wurde. Auf diese Weise blieb der Martini-Cocktail auch nach längerer Zeit wohl temperiert. Lassen Sie sich inspirieren und gehen Sie mal wieder auf einen Cocktail aus! Bangkok bietet viele „seriöse“ Cocktail-Bars und die Bartender-Kultur hat an Qualität in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Dies nicht zuletzt aufgrund der vielen Fünf-Sterne-Hotels. Hier werden offensichtlich Service- und Barpersonal nach internationalen Regeln geschult. Dies sorgt in der Regel für eine gleichbleibend gute Qualität. Und wer weiss – vielleicht probieren Sie auf einem Ihrer Streifzüge dabei ja mal den größten Klassiker und unter den Cocktails. Nur bitte: Schonen Sie das Nervenkostüm des Barkeepers und Ihren guten Ruf und bestellen Sie einen Martini-Cocktail niemals geschüttelt sondern grundsätzlich gerührt.

Mark Heine


Zitate
Ein Martini ist ganz recht. Zwei sind zu viele und drei sind nicht genug.
James Thurber, Amerikanischer Schriftsteller

Ein Martini ohne Olive ist doch Kultur-Bolschewismus! Duke Forrest in M*A*S*H


I love to drink martinis. Two at the very most. Three I’m under the table. Four I’m under the host! Dorothy Parker

Ein guter Martini ist wenn die Flasche Gin neben der Noilly Prat Flasche steht. Anonymus

Nach dem ersten Martini fühle ich mich größer und klüger. Nach dem zweiten fühle ich mich einmalig, und wenn ich noch mehr trinke, gibt es kein Halten mehr. William Faulkner

Happiness is a dry martini and a good woman ... or a bad woman. George Burns

Zen martini: A martini with no vermouth at all. And no gin, either. P.J. O’Rourke

He knows just how I like my martini – full of alcohol.
Homer Simpson

Rezept Martini-Cocktail
Zutaten:
• 6 cl Gin
• 1 cl Vermouth (z.B. “Noilly Prat”)
• eine Zitrone oder eine grüne Olive
• Eiswürfel
• Cocktailglas Den Gin mit dem Vermouth in einem Glas mit Eiswürfeln verrühren. In ein Cocktailglas geben (ohne die Eiswürfel). Jetzt aus der Zitronenschale ein kleines Stück herausschneiden. Das Stück Schale über dem Drink zusammenpressen, so daß die ätherischen Öle der Zitrone auf den Drink gespritzt werden. Stattdessen kann auch eine grüne Olive dem Glas beigegeben werden. DABEI GILT:
„Je trockener, desto Gin”: Je trockener Sie ihn mögen, umso weniger Vermouth verwenden Sie im Verhältnis zum Gin.

Die Testergebnisse
Diplomat Bar / Conrad hotel
87 Wireless Road, Tel. 0-2690-9999 Die Nummer zwei in unserer Rangliste, ganz knapp vor dem Oriental (hübschere Gläser, etwas größere Menge), aber doch mit etwas Abstand zum Sieger. Trotzdem: Ein Martini, der seinem Namen alle Ehre macht und auf mehr Appetit macht.
**** Spasso / Grand Hyatt Erawan
494 Rajdamri Road, Tel. 0-2254-1234 Es wurde geschüttelt was das Zeug hält, das Ergebnis war dementsprechend: Wässrig! Dazu Oliven, die ihren Namen nicht verdienten. Sehr netter Service – trotzdem: Klassenziel verfehlt!
* BarSu / Sheraton Grande Sukhumvit
250 Sukhumvit Road, between Soi 12-14 Unser Favorit – eine ganze Badewanne voll köstlichstem, trockenstem, eiskalten Martini. Wir bekamen sogar ein paar Extra-Oliven. Toller Service – aber Vorsicht: Der Martini war so gut eingeschenkt, daß man Ende des Abends leicht den Überblick verliert, wieviele es denn nun waren. Unser Testsieger!
***** The Bamboo Bar / Mandarin Oriental
48 Oriental Avenue Solides Handwerk und klassische Perfektion – wir hatten es nicht anders erwartet in Bangkoks berühmtesten Hotel. Der Bartender wirkte, als würde er seit hundert Jahren nichts anderes machen, als knochentrockene Martinis zu mixen. So muss er sein! Dazu leichte Jazzmusik – hier schmeckt auch der zweite und dritte ...
**** Red Sky / Centara Grand
999/99 Rama 1 Road Beim Zeuss – wo kriegen die ihre Oliven her? Mit weitem Abstand die besten unserer Testreihe. Wir bestellten sogar noch welche nach. Da geriet der Martini fast zur Nebensache. Zu unrecht, wie wir dann rausfanden – auch er konnte eigentlich überzeugen, war leider jedoch nicht kalt genug. Trotzdem – einen Extrapunkt für die großartigen Oliven ...
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