Dr. Hanns Heinrich Schumacher:

Deutschlands Krisenmanager in Thailand

1997 in Sarajevo, 2001 in New York, 2008 in Bagdad – er hatte viele Herausforderungen zu meistern. Jetzt ist er in Bangkok: Dr. Hanns Heinrich Schumacher. Deutschlands Botschafter im THAIZEIT-Interview


Herr Dr. Schumacher, willkommen in Thailand. Sie waren zuvor Botschafter im Irak. Ist es wahr, dass Sie den Posten in Bagdad bereits nur in Verbindung mit der Zusage für Bangkok angenommen haben?


Solche Forderungen kann man nicht stellen, aber ja – ich habe mich so beworben, bin freiwillig für ein Jahr nach Bagdad gegangen und freue mich, dass es geklappt hat und ich nun in Bangkok Dienst verrichte – trotz der Turbulenzen, die mich hier gleich in Anspruch nehmen.

Sie waren auch für die Umsetzung des Friedensabkommens von Dayton in Sarajevo verantwortlich. Angesichts dieser Krisengebiete ist es in Thailand friedlich. Trotzdem herrscht gerade politisches Chaos. Müssen sich Urlauber und Expats Sorgen machen?


Die politische Lage in Thailand wird zunehmend unübersichtlicher und diffuser.  Auch, wenn es bisher noch keine konkrete Sicherheitsgefährdung von Ausländern gab: die Entwicklung muß aufmerksam beobachtet werden und gibt Anlaß zu Sorge. Die Regierung greift gegen die Demonstranten nicht ein. Dies kann irgendwann auch unkontrollierbar werden. Die Ansetzung von Neuwahlen allein, über die spekuliert, wird keine unmittelbare Lösung bringen. Die Besetzung der internationalen  Flughäfen wird Thailand schweren Schaden zufügen – kommerziell und als Imageverlust! Das Land ist unruhig – und erkennbar kann niemand voraussagen, wann es zur Ruhe kommt. Diese schwierige Lage müssen Urlauber mit einkalkulieren, wenn sie sich für Thailand als Reiseziel entscheiden. Ich bitte nur herzlich darum, unsere regelmäßig aktualisierten Reisehinweise zu beachten.

Wie steht die Bundesrepublik Deutschland zur innenpolitischen Situation in Thailand?

Ich kommentiere nicht die politischen Motive und Hintergründe dieser Krise. Dies ist eine innenpolitische Angelegenheit. Wenn zentrale öffentliche Einrichtungen lahmgelegt werden und Touristen zu Tausenden in Not geraten, ist es die Verantwortung der Regierung, für die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Das tut sie nicht. Dazu hat sich die Präsidentschaft der Europäischen Union vor kurzem klar geäußert: wir befürchten negative Auswirkungen auf unsere im Prinzip guten Beziehungen.

Hat sich die innenpolitische Lage auch wirtschaftlich ausgewirkt?

Thailand ist es bisher in der Vergangenheit gelungen, politische Fehlentwicklungen von der wirtschaftlichen Entwicklung abzukoppeln. Die Krisen der vergangenen Jahre hatten kaum Auswirkungen auf das wirtschaftliche Wachstum und den Export zum Beispiel nach Deutschland. Selbst die Zahlen für 2008 sind immer noch akzeptabel. Allerdings darf bezweifelt werden, dass diese Entkoppelung von politischen Krisen und realwirtschaftlicher Entwicklung vor dem Hintergrund einer globalen Rezession und Bankenkrise dauerhaft Bestand haben wird. Thailand braucht kräftige politische Impulse zur Lösung der Herausforderungen, die durch einen weltwirtschaftlichen Abschwung verursacht werden. Diese Impulse fehlen.

Wir feierten gerade 150 Jahre Deutsch-Thailändische Wirtschaftsbeziehungen. Wir soll es in den nächsten Jahren weitergehen?

Deutschland und Thailand haben traditionell gute Beziehungen. Nach der Zeit der Militärregierung, in der es eine von der EU beschlossene Kontaktsperre gab, haben wir alles getan, um dort wieder anzuknüpfen. Die Besuche von Bundeswirtschaftsminister Glos in Bangkok und Thailands damaligem Außenminister Noppadol in Berlin und die gute Beteiligung der Wirtschaft an der GTS in diesem Jahr zeigen unsere besten Absichten, diese Beziehungen wieder zu vitalisieren. Aber es muß eindeutig auch von thailändischer Seite  darauf reagiert werden. Seit vielen Jahren haben sich beide Länder zum Beispiel verpflichtet, gemeinsame Probleme in einer Gemeinsamen Ministerkommission jährlich zu besprechen. Dies ist nie geschehen. Gleiches gilt für unsere überaus engen Kulturbeziehungen. Es geht nicht, daß wichtige Statusfragen des Goethe Institutes bis heute ungeklärt sind.

Welche Schwerpunkte sehen Sie da?

Zum Beispiel Bildung und Kultur. Bei Erziehung und Ausbildung der Jugend können wir noch enger zusammenarbeiten, etwa durch mehr Stipendien. Die Förderung von Deutsch als Fremdsprache in Thailand oder die Förderung thailändischer Kultur in Deutschland. Aber wir müssen auch andere Themen ansprechen, uns etwa für den Beitritt Thailands zum Abkommen zur Ächtung von Streumunition stark machen. Ein anderes Beispiel ist IRENA (International Renewable Energy Agency, Anm. d. Red.). Für IRENA findet bereits im Januar 2009 in Deutschland die Gründungskonferenz statt. Für eine aktive Rolle Thailands bei der Verwirklichung dieses wichtigen Projekts möchte ich mich einsetzen und bin bereits in meiner kurzen Zeit hier auf großes Interesse gestossen. Auch werben wir um Thailands Stimme für Deutschland, wenn es um die Wahl als nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen 2010 geht. Dies alles aber setzt eine Beruhigung der innenpolitischen Lage in Thailand und eine entscheidungsfähige Regierung voraus.

Im Jahre 2002 erzielten Sie einen großen Erfolg, als Ihnen als Ständigen Vertreter Deutschlands bei den Vereinten Nationen  gelang, bei der Wahl um einen Platz im Sicherheitsrat das Traumergebnis von 183 aus 185 Stimmen zu bekommen. Im Anschluss an Ihre Zeit in New York gingen Sie dann als Leiter der Botschaft nach Helsinki und anschließend nach Bagdad. War Bagdad eine schwierige Zeit?

Im Nachhinein wäre ich sogar freiwillig für ein weiteres Jahr geblieben, denn die Aufgabe ist politisch interessant und eine große Herausforderung. Ich habe mich als Deutscher Botschafter in Bagdad nicht unmittelbar gefährdet gefühlt.  Unsere Botschaft liegt auch  nicht in der internationalen Zone, wo es früher häufig zu Anschlägen kam. Jetzt wird die Sicherheitslage deutlich besser. Trotzdem hatten und haben wir weiter hohe Sicherheitsvorkehrungen. Das Tragen der Schutzwesten  ist beschwerlich. Trotzdem: dort gibt es ein motiviertes Team an der Botschaft. Es war eine sehr interessante Zeit. Aber wäre ich länger geblieben, wäre ich jetzt eben nicht in Bangkok.

Worauf haben Sie sich besonders gefreut in Thailand?

Auf ein neues und sicheres Umfeld, darauf, einen für mich neuen Kontinent und ein neues Land  zu entdecken, auf neue berufliche Herausforderungen und Spaß an der Arbeit. Letzteres werde ich mir auch durch die aktuellen Ereignisse nicht nehmen lassen.

Sie waren persönlicher Referent von Hans Dietrich Genscher. Fiel das zusammen mit Minister Genschers Besuch in Thailand?

Ja, ich habe Minister Genscher 1987 bei seinem offiziellen Besuch in Bangkok begleitet. Damals hatte sich eine Anekdote abgespielt, die mir sehr eindrücklich in Erinnerung geblieben ist. Herr Genscher zieht es vor, auf seinen Reisen in die ganze Welt immer wieder dieselben Hotels und dieselben Suiten zu bewohnen. Das gibt ihm ein gewissen Gefühl von Heimat in der Ferne. In Bangkok ist es eine bestimmte Suite im Oriental Hotel. Als wir nun aber angereist kamen, war die Suite durch den amerikanischen Außenminister belegt. Herr Genscher war etwas ungehalten und beruhigte sich erst am nächsten Morgen, nachdem der Hoteldirektor, Herr Wachtveitl, den zwischenzeitlich geschlossenen alten Trakt ausnahmsweise für ihn und unsere Delegation öffnete und so ein ganz besonderes Erlebnis möglich machte.

Ihr Vorgänger, Dr. Brümmer, hatte den Deutschen Hilfsverein ins Leben gerufen. Werden Sie persönlich oder wird die Botschaft dieses Projekt weiter unterstützen?

Ich habe meinem Vorgänger, Dr. Brümmer, zugesagt, dass ich den Deutschen Hilfsverein mit Nachdruck unterstützen werde. Damit habe ich ja auch schon angefangen, zum Beispiel auf dem Fest der Deutschen.

Wo überall waren Sie denn schon in Thailand?

Es gab einen engen Terminkalender: Besuche in Chiang Mai und Hua Hin mussten leider abgesagt werden wegen der aktuellen Situation. Am 11. Dezember fahre ich erstmals nach Pattaya, dort findet eine Sitzung der „Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit“ statt. Im Anschluss treffe ich mich dort mit Mitgliedern der deutschen Gemeinschaft.

Welche Arbeit liegt Ihnen besonders am Herzen?

Ich habe als junger Diplomat im Konsularbereich angefangen, in Israel, und weiß, wie wichtig die Arbeit dort ist. Ich bin sehr stolz auf die exzellente Arbeit unserer Konsularabteilung hier in Bangkok. Wir haben hier sehr engagierte Mitarbeiter und sind sehr gut organisiert: Mit einem Call-Center, Terminvergabe, zügiger Abwicklung und Privatsphäre für die Besucher trotz Sicherheitsglas bei persönlichen Anliegen. Zwischen 200 und 400 Kunden betreuen unsere Mitarbeiter jeden Tag, unparteiisch und objektiv bemühen sie sich, Dinge zu vereinfachen und zu helfen, wo dies in unserem Rahmen möglich ist. Niemand braucht die Hilfe irgendwelcher Verbindungsbüros in Anspruch zu nehmen. Die Ablehnungsrate bei Visa liegt insgesamt bei um die 10% – damit sind wir im Vergleich im Mittelfeld der EU-Mitgliedsstaaten. Ich finde das akzeptabel und würde mir wünschen, daß die Arbeit dort mehr gewürdigt wird. Anzahl und leider auch oft der Ton der Beschwerden ist vor diesem Hintergrund ungewöhnlich und auch gewöhnungsbedürftig.

Thaizeit


www.bangkok.diplo.de Kurz-Lebenslauf Dr. Hanns Heinrich Schumacher * 10. November 1948, Duisburg-Hamborn 1979-1982    Botschaft Tel Aviv 1982-1984    Botschaft Port-of-Spain,                      Ständiger Vertreter 1984-1993    Auswärtiges Amt (ab 1991 Sprecher) 1993-1997    Botschafter in Windhuk 1997-1999    Dayton, Sarajevo, Stellvertreter                      des Hohen Repräsentanten 1999-2003    Vereinte Nationen in New York,                      Ständiger Vertreter des Leiters 2003-2007    Botschafter in Helsinki 2008              Botschafter in Bagdad                       heute Botschafter in Bangkok

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