Internationale Filmprojekte:

Hollywood in Thailand

THAIZEIT schaute hinter die Kulissen internationaler Filmprojekte und sprach mit Oliver Ackermann, dem Inhaber einer Filmproduktionsfirma in Chiang Mai.


Thailand – Land des Lächelns, tropisches Paradies, Ziel bierbäuchiger Pauschaltouristen und esoterisch angehauchter Sinnsuchender gleichermaßen. Zum Stichwort „Film“ fällt den meisten im Zusammenhang mit Thailand allerdings wenig ein – höchstens die zugehörige „Traumschiff“-Folge. Und natürlich Leonardo di Caprio am Strand. Aber dann wird es schon eng ...
Zu unrecht, meint Oliver Ackermann. Er ist einer der Inhaber von Living Films – einer Filmproduktionsfirma mit Sitz in Chiang Mai und Bangkok, die er zusammen mit einem weiteren Deutschen, zwei Thais und einem US-Amerikaner führt (www.livingfilms.com). Oliver Ackermann steht im Abspann einiger internationaler Spielfilme. Wir haben ihn über das Filmland Thailand befragt. Und über die Living Films-Projekte Bangkok Dangerous (2007, mit Nicolas Cage, Shahkrit Yamnarm) und Shanghai (2009, mit John Cusack, Chow Yun Fat, Gong Li).


Oliver, was fällt Dir zu unserem Titel Hollywood in Thailand ein?


Hollywood hat in Thailand einige Filme gedreht: The Deer Hunter, natürlich Rambo und The Beach. Dann zum Beispiel Around the World in 80 Days, Alexander, Bridget Jones‘s Diary, Streetfighter und The Medaillon. Auch Hongkong dreht hier schon lange, beispielsweise mehrere Filme mit Jackie Chan.

Wofür steht Thailand in der Filmbranche?


Hier wurden schon immer ganz bestimmte Arten von Filmen gemacht. Filme über den Vietnamkrieg zum Beispiel – der thailändische Dschungel war so ziemlich der einzige Ort, wo das möglich war. Und dann gibt‘s natürlich das exotische Urlaubsland mit Sonne, Strand, Elefanten und Tempeln. Da ist Thailand aber meist eher Dekoration als Thema.

Gibt es darüberhinaus für Filmschaffende interessante, noch unbekannte Seiten?


Die gibt es durchaus. Ich wundere mich immer wieder, wie wenig über die gute Film-Infrastruktur und die professionelle Arbeitsweise hiesiger Film-Teams und Filmstudios im Westen bekannt ist. Aber auch das Land selbst wird oft unterschätzt. Vor einiger Zeit schickte der Produzent einer US-Serie sogar Container mit Büromaterial hierher zum Dreh, da war unter anderem DIN-A4-Papier drin. Die hatten keine Ahnung, was sie hier erwartet. Noch ist Thailand in vielen Bereichen sowas wie ein Geheimtipp – aber asiatische Themen sind überall im Kommen, ganz besonders natürlich chinesische. Und China ist als Filmland nach wie vor schwierig. Oft kann Thailand da Alternativen bieten.

Was hat Living Films denn im Spielfilmbereich bisher gemacht?


Schon einiges – jüngste Produktionen sind Bangkok Dangerous, da haben wir die kompletten Dreharbeiten in Thailand organisiert und durchgeführt. Und natürlich Shanghai, der jetzt im Herbst in die Kinos kommt.

Lass uns zuerst über Bangkok Dangerous sprechen – worum geht es da?


Ein Auftragskiller soll in Bangkok drei Attentate verüben. Durch seinen dort angeheuerten Assistenten und ein Thai-Mädchen, in das er sich verliebt, verändert sich die Einstellung zu seiner Arbeit und seinem Leben komplett. Daher auch der Titel Bangkok Dangerous: Bangkok wird dem Killer gefährlich, denn er entdeckt seine Menschlichkeit.
Das passiert vielen hier, dafür ist diese Stadt sehr geeignet. Nur – ein Killer kann sich sowas eigentlich nicht leisten...

Was ist besonders an diesem Film?

Ich mag die Stimmung, die Atmosphäre. Das Setting in Bangkok ist einzigartig, diese düstere Blade-Runner-Ästhetik – obwohl sie dem lebensfrohen und sicheren Bangkok natürlich nicht wirklich entspricht. Der Look ist trotzdem sehr echt, nicht überhöht: die Architektur, die tropische Vergänglichkeit. Wer Bangkok kennt, hat das Gefühl, die Locations wiederzuerkennen – obwohl einiges nachgebaut ist. Dass ein internationaler Film mit einem internationalen Star Bangkok so ins Zentrum rückt, gab es vorher noch nicht. Nicolas Cage ist der einzige Westler im Film, die Crew waren fast alles Asiaten, auch die Regisseure, die Pang-Brothers. Das hat den Film stark beeinflusst.

Wie hat Nicolas Cage das empfunden?

Ihm hat die Zusammenarbeit auch viel Spaß gemacht. Allerdings musste er sich erst daran gewöhnen, dass die vielen Fans nicht jubelten, wenn er ans Set kam. Sie jubelten, wenn Shahkrit, der thailändische Co-Star, auftauchte. Nicolas hat das aber mit Humor genommen.

Bangkok Dangerous entstand ausgerechnet während des letzten Militärputsches – gab es da Probleme?

Ja, das war schon komisch. Wir waren grade am Aufbau einer Szene mit Waffen, Schusswechsel und Sprengstoff, als die Nachricht vom Putsch reinkam. Soldaten rückten mit Panzern in Bangkok ein – aber der einzige Platz, an dem geschossen wurde, war unser Set. Wir haben trotzdem einfach weitergedreht, nur haben wir die restlichen Schussszenen sicherheitshalber nach hinten verlegt. Der Putsch verlief ja komplett friedlich – die Presse hat das aber ziemlich dramatisiert.

Die ideale Überleitung – kommen wir zu Shanghai.

Da geht es um den Einmarsch der Japaner 1940 in Shanghai, verpackt in eine Liebes- und Spionage-Geschichte. Der Film zeigt in opulenten Bildern eine sterbende Welt, das Ende einer Epoche in Asien. Shanghai war damals eine sehr europäische Stadt, eine eu•ropäische Stadt mitten in China. Witzig, dass ausgerechnet diese Geschichte in Thailand inszeniert wurde, die hat ja mit Thailand rein gar nichts zu tun.

Das wurde tatsächlich alles in Thailand gedreht?

Bis auf einige Innenaufnahmen, ja – die entstanden in London im Studio. Aber alle „großen“ Szenen sind von hier. Der Film sollte ursprünglich in Shanghai gedreht werden, dort gibt es einen kompletten Straßenzug aus der Zeit als Kulisse. Mikael Hafstrom, der Regisseur, hatte auch schon zwei Monate in Shanghai nach Locations gesucht. Doch dann wurde das Drehbuch abgelehnt – die Story ging nicht durch, keine Drehgenehmigung in China. Wir kamen als Notlösung ins Spiel. Die asiatischen Stars kennen Thailand natürlich sehr gut, sie drehen gerne hier. Wir mussten aber erstmal Regisseur und Produzenten überzeugen, dass das alles auch in Bangkok machbar ist, und Vertrauen schaffen. Wir haben auf einem freien Gelände zwei Monate gebaut. Es war das größte Set, das in Südost-Asien bisher gebaut wurde. Als dann alles fertig war, war Mikael glücklich: Er hat wieder an seinen Film geglaubt.

Wie verlief der Dreh – Thailand ist ja nicht China?

Wir hatten wunderschöne, detailgetreue Sets mit Autos und Kostümen. Wir haben jede Menge chinesisch aussehende und westliche Statisten ausgesucht. Nur die Schauspieler taten mir manchmal leid. Der Film spielt ja teilweise im Winter. Daher drehten wir in entsprechender Garderobe - manchmal um 12 Uhr mittags im Wintermantel. Und das in den Tropen – wir brauchten überall Air-Conditioning.

Was hat dich am meisten beeindruckt?

Das war eine Nachtszene. Ich ging um drei Uhr morgens zum Regisseur ans Set, sie drehten gerade, wie auf der einen Seite die Shanghaier Bürger in Abendgarderobe aus dem Theater strömen. Und auf der anderen Seite kommen die Japaner in die Stadt, lösen Angst und Entgeisterung aus. Das war so realistisch, so unmmittelbar – mir wurde auf einmal bewußt, wie das gewesen sein muss, dieser Moment, in dem alles anders wird, wenn das Unerwartete für diese Menschen Wirklichkeit wird. Für die thailändische Crew war jedoch das Schönste, dass der große Chow Yun Fat da war und sich mit jedem, wirklich auch dem letzten Helfer am Fotokopierer, fotografieren ließ. Er war sogar im Produktionsbüro, wo solche Stars sonst nie hinkommen. Das war sehr nett und herzlich. Ja, und natürlich Gong Li – sie ist eine chinesische Marlene Dietrich. Wenn sie im Kasino die Treppe runterkommt, in die Menge tritt und außer ihr niemand mehr im Raum existiert – einfach umwerfend. Das muss man erstmal können.

Euer Film-Team bestand hauptsächlich aus Thais?

Selbstverständlich. Das Niveau der Filmindustrie in Thailand ist sehr hoch, auch im internationalen Vergleich, die Unterschiede in der Arbeitsweise sind gering. Und Probleme werden schnell gelöst – Thais sind stolz darauf, flexibel zu sein!

Wie verlief die Verständigung beim Drehen – die meisten Westler sprechen ja kein Thai?

Auf der Ebene von Regie, Schauspielern und Produktionsleitung wurde englisch gesprochen, im übrigen Team dann thai. Der Trick ist, die Schlüsselpositionen zweisprachig oder sogar doppelt zu besetzen. Wir hatten z.B. zwei Oberbeleuchter – die sind für das Licht verantwortlich und stehen zwischen Kameramann und den übrigen Beleuchtern. Hier hatten wir immer einen Westler und gleichzeitig einen Thai, der gut englisch spricht. Wenn diese „Scharnier-Positionen“ funktionieren, ist der Workflow schnell und unproblematisch.

Thema Wetter – das ist für Filmaufnahmen ja oft problematisch?

Früher hat man hauptsächlich zu Anfang der Trockenzeit gedreht, November bis Januar, das ist auch die touristische Hauptsaison. Da scheint die Sonne, es regnet kaum mehr, aber die Bäume sind noch grün. Wir haben Bangkok Dangerous allerdings komplett in der Regenzeit gedreht, das war überhaupt kein Problem. Denn auch in der Regenzeit regnet es zwar regelmäßig, aber meist nur kurz. Die übrige Zeit scheint dann oft die Sonne. Wir hatten immer alternative Szenen eingeplant, sodass wir notfalls ausweichen konnten.

Oliver, vielen Dank für diese Einblicke ins thailändische Filmschaffen. Noch ein Schlusswort?

Gerne – ein bisschen in eigener Sache, wenn das erlaubt ist. Thailand ist ein tolles Land zum Drehen. Oft kommen jedoch Kunden zu uns, die mit ihren Projekten schon angefangen haben, das heißt Drehorte recherchiert, ein Film-Team kontaktet, Dreh-Genehmigungen angefragt haben. Da muss man dann als erstes Probleme lösen, die vorher gar nicht da waren. Thailand ist ein modernes und aufgeschlossenes Filmland. Aber Thailand ist in vielen Bereichen auch „anders“. Wer diese interkulturellen Unterschiede übersieht oder unterschätzt, macht es sich unnötig schwer. Und schafft dabei oft Probleme, ohne es selbst zu merken. Wer Thailand nur von weitem kennt und keine persönlichen Kontakte hat, findet nur schwer die wirklichen Entscheider, aber sehr leicht Leute mit starkem finanziellen Inter-esse – das dürfte wohl überall in der Welt so sein. Besser ist es, am Anfang mit jemandem zu sprechen, der sich wirklich auskennt. Dann kann man am besten entscheiden, wie man mit einem Film weiter vorgeht.

Jörg Dittmar


Der Autor Jörg Dittmar studierte Medien und Marketing. Als Regisseur und Autor macht er internationale Wirtschafts-Filme. Seit einigen Jahren liegt sein Schwerpunkt dabei auf Asien. www.yourfilminasia.de

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