Thailand News:
Der Glaube an eine schönere Welt
Gerhard Kuppler ist Pfarrer der evangelischen Gemeinde in Bangkok. Die traditionellen Weihnachtsgepflogenheiten verlieren auch fern der Heimat nicht an Sinn, erklärt er in seinem Weihnachstgruß an die THAIZEIT-Leser.
Historisch gesehen gibt es wenig Nachweisbares über Zeit und Ort der Geburt Jesu. Sicher ist er nicht im Jahre Null geboren, denn da war König Herodes, der ihn als Konkurrenten umbringen wollte, bereits vier Jahre tot. Wahrscheinlich war sein Geburtsjahr das Jahr sieben vor Christus, denn da gab es eine helle Planetenkonstellation, die der Weihnachtsstern gewesen sein könnte.
Auch wurde Weihnachten als Fest der Geburt Jesu erst über 300 Jahre später gefeiert. Das wichtigste Fest der ersten Christen war Ostern: der Sieg des Lebens über den Tod, der Sieg Gottes über die Mächte dieser Welt und damit über die Angst vor diesen Mächten. Und das hieß auch der Sieg Gottes über den Gottkaiser, der von Rom aus die Welt beherrschte und die Christen verfolgte, weil sie ihm seine Göttlichkeit bestritten.
Hier, im zur Weihnachtszeit sommerwarmen Thailand, scheint zumindest ein Teil der Weihnachtstraditionen, die wir aus Deutschland kennen, wenig nachvollziehbar. „Leise rieselt der Schnee…“, „Schneeflöckchen, Weißröckchen…“, Rentierschlitten und pelzbemäntelte, schwitzende Weihnachtsmänner überschreiten für die meisten Menschen doch die Grenzen des guten Geschmacks. Oder doch nicht? Denn schließlich gibt es auch in der Wärme viel menschliche Kälte. Und die Weihnachtsbotschaft heißt: Die Kälte kann überwunden werden. Gott ist selbst in die Kälte der Welt gekommen, damit wir im Glauben daran Kraft finden, die Kälte zu überwinden.
Und so wurden die Weihnachtsgeschichte und die Weihnachtstraditionen komponiert als Gegengeschichten und Gegentraditionen zur Kälte, zur Brutalität, zum Wahnsinn der Welt. Der Glaube macht die Welt schöner als das Wissen um historische Gegebenheiten. Die Weihnachtsgeschichte, die in unzähligen Weihnachtskrippen an Weihnachten in fast allen christlichen Häusern mit Figuren nachgestellt wird, diese Weihnachtsgeschichte mit Maria und Josef, der Krippe, den Hirten und den Engeln: sie ist eine Gegengeschichte zum Machtanspruch des Kaisers in Rom. Der nannte sich „Erlöser“, „Friedensbringer“. „Si vis pacem, para bellum“ – „Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor.“
Weihnachtstraditionen sind Gegengeschichten
Mit dem kleinen Kind Jesus kommt ein anderer Gott in die Welt: „Wenn du Frieden willst, lebe Frieden.“ Gott ist nicht der, der menschliche Macht verstärkt, nicht der Beschützer der Mächtigen, sondern er kommt zu den Kleinen, zu denen, die scheinbar nichts gelten. Zu dem jungen Mädchen Maria, das ein Kind erwartet, zu den Hirten, die nichts haben. Er wird in ärmliche Verhältnisse geworfen. Später kommen noch Ochs und Esel dazu und fragen frei nach dem Propheten Jesaja: Mensch, wo ist eigentlich deine Heimat, wo sind deine Wurzeln – im Haben oder im Leben, im Ausnützen oder im Vertrauen? Und irgendwann werden die Weisen aus dem Morgenland zu Königen und sagen: Die stärkste Macht ist nicht bei den irdischen Herrschern – deren Macht vergeht meist schneller als sie denken. Man sieht es an den Cäsaren von Rom, den Napoleons, Hitlers, Stalins und Honeckers. „Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf.“ An Weihnachten tun sie’s doch. Man versteht, dass Christen in diktatorischen Staaten verfolgt werden und dass man die zentrale Weihnachtsbotschaft zur Religion degradieren will. Und natürlich ist das Schenken eine Gegengeschichte gegen die Weltgeschichte, die eine Geschichte der Raffgier ist und der Herrschsucht. Jede Weihnachtstradition ist solch eine Gegengeschichte. Man braucht gar nicht so viel Fantasie, um hinter diesen hundertfältigen Weihnachtstraditionen die Geschichte und die Gegengeschichte zu ergründen oder sie gar neu zu erfinden. Warum nicht? Und vielleicht feiert man Weihnachten am angemessensten, wenn man seine eigene Gegengeschichte zu den dunklen Seiten der eigenen Welt erfindet, komponiert, lebt. Die sammelnde Ruhe der Muschel gegen die Unruhe. Die Freude an den Gaben der Schöpfung gegen das „Immer-schneller“. Weihnachten heißt: In diesen kleinen Geschichten wohnt Gott. Er will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt. „Aber dass der Glauben die Welt schöner macht als das Wissen, stimmt doch“. (Martin Walser).Gerhard Kuppler
EVANGELISCHE GEMEINDE Gerhard Kuppler, Pfarrer Tel: +66 2391 3631 Fax: +66 2711 3925 Email: ev.kirche.th@gmail.com www.die-bruecke.net
Weitere interessante Artikel