Thailand Umwelt: Thailand erstickt im Plastikmüll
Mit einem modernen Lebensstil kam das Plastikproblem nach Thailand – Lösungsansätze gibt es noch immer keine.



Die Verkäuferin am Straßenrand macht keinen Handgriff zu viel, routiniert hat sie nach und nach alle Zutaten für den gebratenen Reis aus den einzelnen Dosen und Schüsselchen in ihren Wok geworfen, es duftet nach Knoblauch und Sesamöl. „Hier essen oder zum Mitnehmen?“ fragt sie, ich antworte „gap baan“, für daheim.
Doch sollte ich passender: „sai thung“, in die Tüte, sagen, denn mit gleicher Routine beginnt sie nun den Einpackprozess: Eine Styroporschale für den Reis, doch zunächst muss ein Plastikblättchen hinein, um das Ankleben an den Schaumstoff zu vermeiden. In einen kleinen Plastikbeutel kommt etwas Fischsoße, in eine andere eine Chili-Essig-Soße. Beide werden geschickt mit einem Gummiband verschlossen, ganz fest und mit Luft, sodass die Tütchen wie aufgeblasene Ballons aussehen. Ein weiteres Plastiktütchen mit zwei Kammern enthält Zucker und Chilipulver, selbstverständlich mit Gummiband verschlossen. Die Schachtel mit dem Reis wird noch mit einem letzten Gummiband gesichert und kommt schließlich gemeinsam mit allen anderen Tütchen in eine Plastiktasche. „Noch eine (PVC)-Flasche Wasser dazu?“ - na klar, kommt natürlich in eine eigene Tüte. Hat keine zwei Minuten gedauert, ist ungemein praktisch, aber der angesammelte Plastikmüll macht mir schon Bauchschmerzen, bevor ich überhaupt angefangen habe zu essen.
Kein Einkauf ohne Plastik
Zwei Tragetaschen, drei Klarsichtbeutel, vier Gummibänder, eine Folie und die Styroporschale sind die Zeugen meines Abendessens für die Nachwelt. Als ich sie entsorge, muss ich sogleich den Küchenmüll vor die Tür bringen - schon wieder ein Beutel voll! Nach Angaben der Weltbank produziert jeder einzelne Einwohner Bangkoks am Tag anderthalb Kilo Müll, Tendenz rasant steigend. Und 20 Prozent davon sind Plastiktüten. Kein Zweifel, selten ist mir eine Verbraucherstatistik so untertrieben vorgekommen wie diese Zahl. Kein Einkauf in Thailand ohne die obligatorische Plastiktüte, sei es im Supermarkt, im Convenient Store, bei Tante Emma oder auf dem Markt. Dazu kommt eine geradezu verschwenderische Angewohnheit, Artikel nach Warengruppe zu verpacken: Wer eine Packung Batterien (Elektro), ein Shampoo (Kosmetik), eine kleine Packung Toastbrot (Lebensmittel) und dazu eine Flasche Eistee kauft, geht nicht selten mit drei oder vier Tüten samt Strohhalm aus dem Laden.Müll nicht als Problem erkannt
Nun kann man nicht vom kleinen Mann auf der Straße große Lösungen erwarten, und wer sich erinnern kann und will, wird bemerken, dass auch im gebildeten Deutschland vor 20 Jahren Mülltrennung selbst von Glasflaschen nur von einer handvoll belächelter „Öko-Freaks“ betrieben wurde. Es sind die Konzerne gefragt und die Politik, beides Institutionen, die gewohnheitsgemäß zunächst auf ihre eigenen Vorteile bedacht sind. Bei Tesco Lotus etwa, einer führenden Supermarktkette mit einem monatlichen Durchlauf von über einer halben Millionen Plastiktüten allein für eine Filiale in Chiang Mai, gibt selbstverständlich eine Umweltvorgabe. Doch bezieht diese sich ausschließlich auf das Sparen eigener Ausgaben bei Licht und Klimaanlage. Bei Big C wäre man gerne „einbezogen in die Nachbarschaft und den Naturschutz“, doch mit mehr als Worten versucht man dies offensichtlich nicht zu erreichen. Die Politik schüttete stattdessen Öl ins Feuer, wenn vereinzelte Regierungsvertreter in der Vergangenheit mit grotesken Argumenten abwiegelten: „In tausend Jahren wird die Plastikdeponie zu einem wertvollen Ölreservoir“ hieß es da in der Tageszeitung The Nation.Gute Beispiele sind anderswo
In anderen Ländern ist man schon einige Schritte weiter, auch in der Nachbarschaft des Königsreiches. Die Beispiele Bangladesh und Bhutan beweisen, dass auch der gern vorgeschobene Status als Schwellen- oder gar Entwicklungsland kaum als brauchbares Argument gegen einen Plastikstopp taugt. Seit einigen Jahren gibt es dort ein Plastiktütenverbot, das den Verbrauch in Bangladesh um 90 Prozent senkte. Die Marktbeschicker besinnen sich zurück auf alte Traditionen. Noch vor wenigen Jahrzehnten ist man schließlich auch ohne Plastik bestens ausgekommen in Südostasien, bis heute findet man manche Überreste davon auf den Märkten und sogar in den Asia-Shops in Deutschland: Süßer Klebereis eingewickelt in ein Bananenblatt oder Fische in groben Bastkörbchen, die im Handumdrehen und vor allem spurlos verrotten. Erst kürzlich habe ich auf der im Plastikmüll erstickenden Insel Koh Kret eine Frau getroffen, die vor ihrem Haus frittierte Shrimpbällchen mit gerösteten Korianderblättern verkaufte – im stabil gefalteten Bananenblatt, handgerecht, tropffrei und mit einem Holzstäbchen als Gabelersatz. Hat nicht nur köstlich geschmeckt, sondern auch gleich ein weiteres Problem gelöst: Um fehlende Mülleimer auf den Straßen musste ich mir nach meinem Snack ausnahmsweise mal keine Gedanken machen. Autor: Alexander Heitkamp, basierend auf dem Artikel „Plastic Planet“ von Cindy Tilney, mit freundlicher Genehmigung vom Magazin Citylife Chiang Mai, www.chiangmainews.comWie gefällt dir dieser Beitrag?
Deine Meinung ist uns wichtig! 9 Bewertungen hat dieser Beitrag bereits erhalten. Bewertung abgeben
Meinungen
Redaktion: Danke für Ihr Feedback, freut uns, wenn ihnen der Artikel gefällt. Falls Sie von Ihrer Fotoserie etwas online veröffentlichen wollen, dann melden Sie sich bitte einfach unter hello@thaizeit.de Lg Ihr Thaizeit Team
Weitere interessante Artikel