Typisch Thai: Mehr als nur Körperschmuck

Thaizeit besuchte das Tatoo-Festival in Nakhon Chaisi.

Das kleine Örtchen im Hinterland von Nakhon Chaisi, eine Autostunde westlich von Bangkok, hat nur etwa hundert Einwohner, eine Hauptstraße, und ist umgeben vom verschlafenen Tha Chin Fluss sowie saftigen Reisfeldern. Ein paar Tempel gehören wie immer auch dazu, doch einer davon sorgt dafür, dass die gesäumte Landstraße einmal im Jahr zum Zentrum des nationalen Interesse wird – und mittlerweile auch international Aufmerksamkeit erregt.
Auch in diesem Jahr war der Ort zur traditionellen Wai-Kru-Zeremonie (Ehrung des Lehrers) im März Ziel tausender Anhänger der Tattoo-Meister des Wat Bang Phra. Jahrmarktbuden und Babyelefanten gehörten ebenso dazu wie eine Horde westlicher Fotografen, die diese unbeschreibliche Veranstaltung irgendwie festhalten wollten. Ein zentraler Erste-Hilfe-Stand, sonst eigentlich nicht Standard auf thailändischen Tempelfesten, lässt auf die ungewöhnliche Natur dieses Festes schließen.
Denn die Tattoos dieser Mönche haben es in sich: Tiergeister schützen den Träger der sogenannten Sak Yan vor Unglück und Unfall. Im Gegenzug nehmen die Büffel, Tiger und Dämonen sich die Freiheit, gelegentlich in die verzierte Haut der Tattooträger zu fahren. Vornehmlich geschieht dies auf dem Tattoofestival, wenn schon Stunden vor dem eigentlchen Beginn der Zeremonie einige Besucher in Trance verfallen. Tausende Anhänger sitzen auf dem Boden vor den Äbten des Tempels und einer Statue des großen Meisters, die geschützt wird von jungen Soldaten und Freiwilligen. Denn alle paar Minuten, später auch im 20-Sekunden-Takt, erhebt sich wieder ein Tattoo-Jünger und rennt unter tierischem Einfluss durch die Sitzenden auf den Altar zu, direkt in die Wand der Soldaten, die ihn mit viel Muskelkraft und durch Reiben seiner Ohren besänftigen.

Büffel, tiger und dämonen

Manche Meditierende schreiten mit verdrehten Augen, schnaufend, aber gemächlich, schnurstracks auf den Altar zu. Doch für die meisten beginnt die Transformation mit einem langsam anschwellenden, spitzen Kreischen, der Blick entrückt, der Körper zittert und das Atmen wird zum Schnaufen. Plötzlich springen sie auf und rennen los, mit ausgestrecktem Arm und gesenktem Kopf über andere Besucher hinweg und mit animalischer Kraft. Oft führt ein solcher Ausbruch dazu, dass benachbarte Meditierende angesteckt werden und eine ganze Meute auf die Soldaten zurennt. Schaulustige stehen anfangs noch neben den Soldaten und zahlreiche ausländische Fotografen, die das Festival in den letzten paar Jahren entdeckt haben.

Sturz in trance

Doch schon bald werden die Attacken so zahlreich, dass es besser ist, die Barrieren zu verlassen. Schon zu Beginn muss ein überrannter Berichterstatter seinen vermutlich gebrochenen Arm behandeln lassen. Auch die Anhänger selbst sind in ihrer Rage verletzungsgefährdet: Es folgt stets eine Welle aus Gelächter, wenn wieder einmal einer der Rasenden über seine eigenen Pfoten stolpert und – Autsch! – mit dem Gesicht zuerst auf den Asphalt schlägt. Wie gesagt, ein schwer zu beschreibendes Ereignis, mit Vorsicht zu genießen, aber in jedem Falle unvergleichbar und unvergesslich.

THAIZEIT

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