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IM AUFTRAG SEINER MAJESTÄT

Als der Deutsche Karl Döhring den Jugendstil nach Thailand brachte


Schon seit der Öffnung des thailändischen Königreichs zum Westen und für Reisende aus Europa ist der Einfluss von Deutschen Ingenieuren, Forschern und Künstlern im ehemaligen Siam groß. Deutschland ist heute in Handelsbeziehungen erster Ansprechpartner für Thailand in Europa – eine Partnerschaft, die vor über hundert Jahren begann. Angefangen bei der Nationalhymne, die 1931 vom deutschstämmigen Peter Feit komponiert wurde, über die thailändische Eisenbahn, Paläste, Post- und Telefondienste – Deutsche waren in Thailand für große Entwicklungen im Einsatz.
Und auch das  Königshaus besucht Deutschland regelmäßig, seit ein Sohn von König Chulalongkorn Kadettenschulen in Potsdam und Kassel besuchte.

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Wer heute auf der Suche ist nach Spuren der Deutschen Vergangenheit in Thailand, wird am besten fündig bei Karl Siegfried Döring, von den Thais auch Doring genannt. Der gebürtige Kölner kam vor etwas über 100 Jahren als Assistenz-Ingenieur in das Königlich Siamesische Eisenbahndepartement. Er war dort so erfolgreich, dass er schon drei Jahre später, 1909, von König Chulalongkorn zum Ersten Architekten des Königs ernannt wurde. Sein Buch „Siam, Land und Volk“ ist bis heute ein wichtiges Dokument der siamesischen Kultur. Und selbst, nachdem Döhring nach Deutschland zurückkehrte und als Kunsthistoriker und Archäologe arbeitete, waren seine Werke bei den nachfolgenden siamesischen Königen stets willkommen und respektiert.

Döhrings Zeit in Siam war die Zeit der europäischen Kolonialherren in Südostasien, und der damalige König Chulalongkorn (Rama V) setzte die von seinem Vater, dem beliebten König Mongkut, begonnene Modernisierung von Staat und Apparat nach europäischem Vorbild fort und besuchte als erster siamesischer König das westliche Ausland. Seine Kinder wurden ausnahmslos in Europa ausgebildet, und der König selbst fand großen Gefallen an der zeitgenössischen Kultur des alten Kontinent – eine Vorliebe, die in Thailand bis heute von Adligen, Wohlhabenden und solchen, die es gerne wären, geteilt wird.

CROSSOVER STATT IMITATION

Das besondere an Dörings Bauten ist aber nicht das seinerzeit übliche Imitieren westlicher Bauten, sondern seine Kunstfertigkeit, asiatische und europäische Stile zu vermischen und die speziellen Wünsche seiner Auftraggeber elegant umzusetzen. Auch deshalb sind seine „Maßanfertigungen“ sehenswerte Unikate. Leider war Döring auf seinen  beiden Reisen insgesamt nur etwa sieben Jahre in Thailand: Der plötzliche Tod seiner Frau, eigene Gesundheitsprobleme und das rivalisierende Verhalten ansässiger Ausländer ließen ihn vor der Errichtung weiterer Bauten nach Deutschland zurückkehren, von wo er wegen des ersten Weltkrieges und aus gesundheitlichen Gründen nie wieder nach Thailand zurückkehrte. Karl Döhring starb 1941 nach einer Operation im Spital in Darmstadt.

Bahnhöfe Bangkok Noi und Phitsanulok

Der Nebenbahnhof auf der Westseite des Chao Phraya wird auch Thonburi Railway Station genannt und liegt in unmittelbarer Nähe zum Krankenhauskomplex des Sirirat Hospital. Seine Nutzung durch die Japaner im zweiten Weltkrieg führte zur vollständigen Zerstörung, doch wurde das Gebäude aber im gleichen Stil des Ziegelsteinexpressionismus wieder aufgebaut. Seit der Verlegung des Bahnhofs vor fünf Jahren steht das Gebäude leer, ist bis auf weiteres wegen der Großbaustelle aber nicht zugänglich. Ebenfalls erwähnenswert ist der noch heute genutzte Bahnhofsbau in Phitsanulok, dem seine Anlehnung an süddeutsche Fachwerkhäuser nicht zu übersehen ist.

Baan Puen Palastvilla von Rama V in Phetchaburi

Das wohl beeindruckendste Bauwerk Döhrings in Thailand wurde von 1910 bis 1916 errichtet und ist deutlich angelehnt an den Sommerpalast von Kaiser Wilhelm und die seinerzeit populären Theaterbauten Oskar Kaufmanns. Der Palast wurde für König Chulalongkorns Aufenthalte während der Regenzeit gebaut, seine Fertigstellung erlebte der Monarch allerdings nicht mehr. Das schneckenförmige Treppenhaus mit Kuppeldach ist tragendes Element des Baus, mit seinen Verzierungen im Jugendstil und den Kanonen auf dem Vorplatz ist es zudem ein stark kolonial geprägtes Bauwerk. Das braune Ziegeldach kommt aus China, die Inneneinrichtung ist für damalige Verhältnisse ausgesprochen luxuriös, die Zimmer mit Figuren und verzierten Kacheln verschiedener Größen und Muster ausgestaltet. Heute steht der Palast auf einem Militärgelände unweit des Stadtzentrums Phetchaburis, ist aber problemlos zugänglich. Im Palast werden Original-Bauzeichnungen Döhrings ausgestellt.

Varadit Palace in Bangkok

Ebenfalls ein bemerkenswertes, doch wegen seiner versteckten Lage oft übersehenes Gebäude an der Lanluang Road, nahe Banglamphu und Rattanakosin ist der 1911 gebaute Palast für den Prinzen Damrong, König Mongkuts Sohn. Der erste Innenminister Thailands liebte und sammelte Bücher, Folklore und Kunstgegenstände und war ein starker Förderer der unabhängigen Entwicklung des modernen Thailand. Er starb in seinem Palast im Jahre 1943, doch erst 53 Jahre später wurde das Gebäude renoviert und in ein Museum umgewandelt. Heute liegt es in einem ruhigen Garten direkt an der belebten Lanluang Road und kann mitsamt der angegliederten Bibliothek besichtigt werden. Seine Thai-europäische Architektur wird durch die chinesisch inspirierte Inneneinrichtung weiter komplettiert, ein Besuch ist wie eine kleine Zeitreise in den siamesischen Alltag zur Kaiserzeit. Die Zimmer des Prinzen sind unverändert und sollen an sein gesellschaftliches Engagement erinnern.

Weitere Bauten

Döhring war während seines zweiten Aufenthalts in Thailand hauptsächlich mit Ausgrabungen und ihrer Bewertung in Nordthailand beschäftigt, seine in dieser Zeit entworfenen Gebäude für die königliche Marine wurden niemals errichtet. Noch in seiner frühen Zeit beim Innenministerium erbaute er den Palast des Prinzen Dilok Nabarath, sowie das Wohngebäude für die sechste Gemahlin des Königs, Königin Sukhumala Mahasiri. Beide Bauten sind den Charakteren ihrer Eigentümer angepasst; ein feminines, anmutiges Haus mit Türmchen und Bögen im Art Deko Stil für die Königin und ein gerades, praktisches Bauwerk für den Prinzen.

Alexander Heitkamp

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