Laos: Die Entdeckung der Gelassenheit

THAIZEIT macht sich auf den Weg nach Vientiane, der Hauptstadt von Laos, und gönnt sich einen deutsch-thai-französisch-laotischen Kulturshake.

Willkommen in der Entspannungszone Nachtzug. Alle Sorgen verwehen mit dem Wind, der aus dem leicht geöffneten Fenster meines Abteils in die Dunkelheit strömt. Die Route führt von Bangkok aus gen Norden und schickt mich auf den Weg nach Vientiane, Hauptstadt von Laos. Meine Gedanken sind längst auf Reisen, das Bett ist bequem, die Nacht verfliegt und schon bald gibt der Wecker das Ankunftssignal.
Es ist genau 8 Uhr, mein Ticket schreibt 8.30 Uhr als Ankunftszeit. Kurze Zeit später läuft der Zug auch schon in Nong Khai ein. Alles verläuft wunderbar nach Plan. Erwartungsvoll blicke ich aus dem Fenster – Welcome everybody! – Moment? Wo sind wir??

Ich blicke auf das Ziffernblatt meiner Uhr, die Thaizeit tickt, auch für mich. Wir sind nicht in Nong Khai, nicht einmal in der Nähe. Die Menschen verlassen die Zugabteile, setzen sich an die Gleise und genießen den Ausblick in die Weite. Es gibt Klebreis, Hähnchen am Spieß und entspannte Gesichter, die sich umso mehr entspannen, je länger die Rast andauert. Nur zwei Touristen laufen aufgeregt durch das Zugabteil.

Die Thaizeit tickt

Die Zeit vergeht – eine Stunde, zwei Stunden, drei Stunden – ich übe zu meditieren. Irgendwann kehrt auch bei mir die Ruhe ein. Ich esse meinen Klebreis und in meinen Gedanken klingt das Sprichwort: „Die Vietnamesen pflanzen den Reis, die Khmer schauen zu und die Laoten lauschen wie er wächst“. Stunden später schreit eine Frau aufgeregt „bai läuw, bai läuw“, auf Deutsch – es geht „schon“ weiter – und scheucht die Passagiere zurück ins Abteil. Der Zug rollt stundenlang in eine ungewisse Zeitdimension, bis er schließlich brummend mit einem Pfiff der Erleichterung am Ende des Tages in Nhon Kai zum Stehen kommt. Ich erreiche die Freundschaftsbrücke, die den Mekong überspannt, und Thailand mit Laos verbindet. Wer nicht schon während der Überfahrt der Landesunterschiede gewahr ist, wird frühzeitig vom Weg abkommen, wenn die X-förmige Kreuzung auf der laotischen Seite den Linksverkehr, der in Thailand üblich ist, in den laotischen Rechtsverkehr wandelt. Ich werde noch feststellen, dass nicht nur die Verkehrsregeln in Laos Heimatgefühle auslösen. Die Grenzpassierung macht mich in wenigen Minuten zum Kip-Millionär. Für einen Thai-Baht gibt es 244 Lao-Kip. Ich bin müde, aber Vientiane schläft schon vor mir. Abgesehen von Bandar Seri Begawan in Brunei ist Vientiane mit knapp einer halben Millionen Einwohnern die kleinste Hauptstadt in SüdOst-Asien. Vientiane schafft es allerdings immer noch, als Laos größte Siedlung zu gelten und ist in wirtschaftlicher, wie auch in politischer und kultureller Hinsicht, das Zentrum von Laos.

die laotische Champs-Elysée

Am frühen Morgen beginnt meine Entdeckungstour auf leeren Straßen. Vor mir erscheint ein vereinzeltes Auto und kommt überraschenderweise am Zebrastreifen zum Stehen. Der Fahrer gibt mir Zeichen zu passieren. Ich bin irritiert. Bangkok rückt plötzlich so weit in die Ferne.  Mit Anbruch des Tages füllen sich die Straßen mit unzähligen Mopeds. Ganz europäisch begebe ich mich auch auf ein Zweirad, ein Fahrrad, denn das habe ich schon seit meiner Abfahrt aus Deutschland vor einigen Monaten nicht mehr genutzt. Laos ist eine Stadt, die sich mit dem Fahrrad wunderbar erobern lässt. Ich rolle knisternd auf den leuchtenden Laubblättern über die vielen ordentlich gepflasterten Bürgersteige. Die Umgebung, die Ruhe und die frische Luft versetzen mich in Gedanken nach Europa. Nach Frankreich, um genau zu sein, denn ich radle soeben die laotische Kopie des Champs -Elyseés, die Lane Xang Avenue, hinunter und steuere direkt auf den Triumphbogen zu. Der Patou Xai, der laotische Triumphbogen, ist doppelt so groß wie sein Pariser Vorbild. Ich erinnere mich, dass bereits mein Vormittag französisch begann, beim Frühstück in einem der vielen kleinen französischen Cafés in einer Straße mit dem Namen Rue Francois. Auch die anschließende Inspektion der meterhohen Baguettestapel auf dem Talat Sao, dem morgendlichen Markt, sowie das Stöbern im Buchhandel, umgeben von französischer Lektüre, erinnerten mich an meinen letzten Frankreich-Urlaub. Kein Wunder, denn nachdem Vientiane im Jahre 1827 von den Siamesen weitgehend zerstört wurde, waren es die Franzosen, die daraufhin während ihrer Kolonialherrschaft die Ruinenstadt wieder aufbauten. Der französische Einfluss hat Laos für immer seine Note verliehen. Aber nicht nur Laos bekam den französischen Stempel aufgedrückt. Mir haben die Franzosen sogar meinen Namen vererbt. Einer Überlieferung nach haben die Thais, die ja bekanntlich nicht gerne zwei Konsonanten in Folge aussprechen, die „Français“ damals umgetauft in „Farangcais“. Na und weil der Thai es linguistisch ja nun gerne kurz hält, wurde aus „Farangçais“ letztendlich der Begriff „Farang“. Um es gar weiter zu vereinfachen wurde dann gleich ein jeder Europäer zum Farang. Allerdings ist diese Überlieferung umstritten. Andere sagen, „Farang“ komme von den Franken.

streit um den Emerald Buddha

Genug von den Farangs, reizt es mich nun wirklich, laotischen Ursprünge zu entdecken, und so begebe ich mich auf Tempeltour. Schon bald erreiche ich zwei der vermeintlich berühmtesten Tempel in Vientiane. Nur ganz so laotisch verhält es sich selbst hier nicht. Der Wat Ho Phra Kaew in Vientiane ist nämlich Namensvetter des Wat Phra Kaew in Bangkok. Übersetzt heißen beide Tempel, „Tempel des smaragdfarbenen Buddha“, da sie beide die berühmte Jadebuddhafigur, die heute in Bangkoks Tempel steht, beherbergten. Der Emerald Buddha ist mit Verlaub ein begehrtes Figürchen. 1556 wurde er den Thais geklaut, verweilte 200 Jahre lang im laotischen Wat Ho Phra Kaew und wurde dann von den Thais wieder zurück erobert. Ich verlasse nun die schmuckvolle Grünanlage, die dem Tempel einen angemessenen Rahmen verleiht, und blicke auf die gegenüberliegende Straßenseite. Dort ruht erhaben der älteste Tempel Vientianes, der Wat Si Saket. Ich komme zur Mittagspause, der Tempel ist geschlossen. Mit laotischer Gelassenheit drehe ich so einige Runden mit meinem Fahrrad, bis sich nach einer Stunde die Pforten öffnen. Nicht nur ich zeige Ausdauer, auch der Wat Si Saket präsentiert langen Atem in seiner Geschichte und auch hier lässt sich wieder eine Brücke zu Thailand schlagen: Als Laos 1828 durch die Siamesen quasi dem Erdboden gleich gemacht wurde, blieb der Wat Si Saket als einer unter wenigen Bauten stehen. Man sagt, er gefiel den Siamesen, orientierte sich seine Architektur doch am ehesten am siamesischen Stil. Fasziniert streife ich an der inneren Tempelmauer entlang, in der hunderte kleine Buddha-Steinfiguren in eingemeißelten Fensterchen hocken. Eine größere Buddhastatur mit weiblichen Konturen animiert den Touristen neben mir zu dem Versuch, eine ungekonnte Gesprächsbrücke zu schlagen. Nun habe ich zwei Gründe weiter zu ziehen, denn auch mein Magen drückt. So krame ich den Touristenführer aus meiner Tasche und folge dem Rat, mich für mein Mahl an das Flussbett des Mekongs zu begeben.

Am Mekong

Während ich diverse Essenstände passiere, versucht man mich von allen Seiten in eines der Lokale zu locken. Ein Mann ruft mir zu, ich könne das Essen auch wieder umtauschen, wenn es mir nicht schmecke. Seine Hartnäckigkeit gefällt mir und ich lasse mich nieder. Das Essen haut mich nicht vom laotischen Teppich, auf dem ich knie, und während ich konzentriert versuche, die ebenso hartnäckigen Fliegen von meinem Teller zu wedeln, denke ich, ganz deutsch, einen kurzen Moment über das Angebot des Verkäufers nach. Ich spüle dann aber den Rest der Speise mit einem Beer Lao hinunter und vertraue dabei dem Times Magazine, das das Beer Lao 2004 zum besten Bier in ganz Asien krönte. Ich schaffe es im Augenblick zu verweilen: Mein Blick ruht auf dem Flussbett des fast ausgetrockneten Mekongs. Ein alter Mann treibt mit seinem Boot in die Bildfläche. Meine Kamera ist bereit für mein Lieblingsbild. In der Momentaufnahme lebt die Ruhe, die Einsamkeit und die Gelassenheit dieser Stadt. Die Atmosphäre des Szenarios vereinnahmt. Die wohl gemütlichste Stadt der Welt schlägt ihren eigenen Rhythmus.

Baum der Erkenntnis

Weniger einsam aber auf eine merkwürdige Art gemütlich beginnt am nächsten Morgen meine Busfahrt zum Wat Xieng Khan, in einer Konserve, die selbst mich als Bangkok-Geübte herausfordert. Nachdem der Fahrer des Busses nach einer Stunde zusätzlicher Wartezeit endlich meint genug Fahrgäste gestapelt zu haben, fange ich an zu schwanken. Die Luft ist schwer und ich glaube, ich stehe auf drei oder vier Füßen zugleich. Ein Mädchen und ein Junge rücken auf ihrem winzigen Sitzplatz so weit zusammen, dass sie noch mit aller Kraft eine handbreit für mich frei drücken können. Nach einer Weile schiebt sich von meiner Linken ein Schokocroissant unter meine Nase. Nun, da ich mit Schokofingern auf dem Schoß der beiden Mitreisenden von einer Seite zur andere schwanke, wird mir wieder einmal klar, was ich hier in Asien noch alles lernen kann.

Durch himmel und hölle

Ich beginne zu entspannen und lasse die neongrünen Reisfelder inklusive Wasserbüffel an mir vorbei rauschen. 24 Kilometer süd-östlich von Vientiane, am Ufer des Mekong, erscheint mein Ziel hinter der Fensterscheibe, der Wat Xieng Khuan. Der Name lässt einen buddhistischen Tempel vermuten. In Wirklichkeit handelt es sich hierbei aber um den bekannten Buddha-Garten. Auf der Grünanlage liegen, stehen, hocken, fläzen zahlreiche buddhistische und hinduistische Figuren. Die Anlage wurde 1975 von Luang Pu Bounleuang errichtet, der, als er nach Thailand auswanderte, dort gleich einen zweiten Buddhapark schuf. Gleich am Eingang  macht sich die größte Buddha-Figur des Gartens auf einem 50 Meter langen Liegplatz breit. Sie relaxt in der Abendsonne. Den Kopf mit der großen steinernen Hand gestützt scheint Sie von einer ungewöhnlichen Ruhe und Selbstsicherheit gezeichnet. Wenig später verstehe ich die Ausstrahlung – sie ist ein Bote des glücklichen Karmas! Reiche Laoten spendeten während der Errichtung des Parks für die Figuren um etwas Gutes für ihr Karma zu tun. Wenig gutes Karma lässt der Eintritt in das geöffnete Maul des steinernen Njaks, eines acht Meter hohen kürbisartigen Gebildes, vermuten. Um auf das Kürbisdach zum Baum der Erkenntnis zu gelangen, muss der Besucher zunächst buchstäblich durch Himmel und Hölle. Auf dem Weg nach oben präsentiert sich mir durch winzige Luken ein Blick in das Innere des Njaks. Zahlreiche sich unter Schmerzen windende Figuren und Totenköpfe erscheinen im schwachen Licht. Ihre Zahl und auch die Darstellung ihres Leidens nimmt mit jedem Schritt nach oben ab. Der Weg symbolisiert die buddhistische Auffassung vom Leben als Weg des Leidens. Oben angelangt genieße ich den Ausblick im Schatten des Baumes der Erkenntnis. Nachdem mich der Njak nach einer Weile wieder ausspukt, werfe ich einen letzten Blick auf die faszinierende Parkanlage und bewege mich dann gen Straßenrand in Richtung Staubwolke, in der sich bereits die Konturen meiner Rücktransportskonserve abzeichnen. Zurück in Vientiane treffe ich auf eine Amerikanerin aus Bangkok. Nun vergeht die Zeit wie im Flug, denn ich kann meine vielen Eindrücke teilen. Warum reisen Menschen alleine, frage ich mich und fühle mich mit dem Gedanken an einen spaßigen Gruppenausflug hier als Deutsche im französischen Laos wieder ein mal ein Stückchen mehr Thai.

Christin Grothaus


Anreise Um von Bangkok nach Vientiane zu gelangen, nimmt man den Nachtzug an der Hualamphong Station, zunächst nach Nong Khai. Offizielle Fahrtdauer: 10 Stunden. Von Nong Khai ist die Grenze nur eine kurze Tuk-Tuk-Fahrt, oder für Sparfüchse, eine Minivan-Gruppenfahrt, entfernt. Von der Thai-Grenze bis nach Vientiane sind es dann noch einmal 22 km. Auch hier ist der Bus gegenüber dem Touristentaxi die deutlich günstigere Variante. Sehenswürdigkeiten Der Wat Si Saket, der älteste Tempel von Laos, befindet sich in der Lane Xang Road an der Ecke zur Setthathirat Road gleich beim Präsidentenpalast. Gegenüber des Wat Sie Saket befindet sich der Wat Ho Phra Keo, der ehemals den Emerald Buddha beherbergte. Der Präsidentenpalast liegt am Ende der Lane Xang Avenue, der Kopie des französischen Champs-Elysees. Die Lane Xang Avenue führt direkt zum Patou Xai, der laotischen Kopie des französischen Triumphbogens. Der Buddhapark, mit dem Namen Wat Xieng Khan, liegt ca. 24 km süd-östlich von Vientiane und ist mit dem Bus Nr. 14 zu erreichen. Der Bus fährt vom zentralen Busbahnhof in Vientiane ab, der sich direkt neben dem Tao Salat, dem bekannten Morgenmarkt befindet.

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