Bangkok:
Pop-Up Restaurants
Ein Gaumenkitzel der besonderen Art im Plaza Athenée.
Im März wurden in der Squashhalle des Royal Meridien Hotels Thunfisch-Pralinées und eine "Consomée mit Injektion" serviert, zum Hauptgang in der Großküche eine im Bierglas geräucherte Forelle, und zum Eis-Dessert traf man sich im Kühlraum des Hotels.
Küchentücher wurden zu Servietten, Kerzen steckten in Konserven, Kaviar schmeckte nach Cappuccino und Toilettenseifen waren plötzlich essbar! Das Projekt des deutschen Kochkünstlers Daniel Bucher erfüllte genau die Anforderungen eines "Pop-ups".
Der Gastro-Trend aus den USA steht für temporäre Gourmet-Restaurants an ungewöhnlichen Orten und mit Event-Charakter, und so inszenierte der junge Hamburger an völlig unspektakulären Hotel-Locations ein wahrlich spektakuläres kulinarisches Theater, das die sonst üblichen "exklusiven Dinners" der Hauptstadt in jeder Beziehung in den Schatten stellte.
"Pop-Up Restaurants sind der zeitgenössische Ausdruck von experimentierfreudiger und ultramoderner Gastronomie – das reizte auch mich", sagt der Endzwanziger, der durchaus als "junger Wilder" in der deutschen Gourmetszene bezeichnet werden darf.
Zunächst studierte er Architektur, Film und Kunst, bevor er sich entschloss, sein Hobby zum Beruf zu machen. Während der Kochausbildung stellte er dann überrascht fest, dass es kaum einen inhaltlichen Diskurs über die Konzeption und den Subtext von Nahrung gibt, und die Herausforderung, ein Gastmahl einmal ganz anders - nämlich als künstlerische "Installation" - darzustellen, wurde zur fixen Idee.
Am 25. Februar 2011 startete das erste Experiment mit großem Erfolg in Berlin: Pangram’s Kitchen – ein reisendes Restaurant. 27 Gäste wurden an außergewöhnlichen Orten von Daniel Bucher und seinem Koch-Kollegen Patrick Klaus kulinarisch verwöhnt: unter Eichen an der Spree, im Museum neben van Gogh oder in der Berliner Ringbahn. Getafelt wurde dabei nicht an fein gedeckten Tischen, sondern man aß und saß auf gewöhnlichen Bistrostühlen aus Eisdielen. "Und kaum hat man es erlebt, verschwindet unser Restaurant wieder. Zurück bleibt nur die Erinnerung an Gaumenfreuden – und ein kleines Büchlein voller Erlebnisse und Erfahrungen über den eigenen Genuss", erklärt Daniel sein Konzept.
"Unsere Gäste sollen nämlich ihr Geschmackserlebnis reflektieren, darüber sprechen und es anschließend niederschreiben, so dass am Ende jeder Gaumen seine ganz eigene Geschichte erzählt..."
Jede Menge Geschichten zu erzählen gab’s dann auch in Bangkoks 5-Sterne Hotel Plaza Athenée. Dort wurde Daniels erstes "internationales Pop-up Experiment" zu einem echten Volltreffer – nicht zuletzt auch Dank der professionellen Unterstützung von Event-Expertin Benjawan Wisootsat. Ihre Agentur FIN (Fabulous is Necessary) steuerte die originellsten Ideen bei, vor allem aber eine Vielzahl von exzellenten Weinen, die ihr deutscher Partner Jan Ganser aus ganz Europa importiert. Schwerpunkt bei diesem Event: edle Tropfen aus Österreich und Deutschland. Und so begann das Progressive Wine Dinner auf der Pool-Terrasse The View mit einem Stück rosaroten Heimatgefühl für mich! Verzückt kostete ich einen frisch-fruchtigen Rosé vom Bodensee, den "2008 Meersburger Bengel Spätburgunder Weissherbst". Und dort oben, mit Blick auf die erleuchtete Stadt, erlebten zwölf geladene Gäste das lukullische Start-up von Daniel Bucher, der zum Auftakt seines Gastspiels einen "essbaren Garten" auf den Tellern kredenzte - eine Art bildliche Referenz an das Sprießen und Wachsen von Pflanzen.
Squashhalle: Aufschlag einmal anders
Axel Herz, deutscher Mixologist und Barchef im Plaza Athenée, übernahm die Führung im Squash Bereich und servierte den überraschten Gästen Thunfischpralinées, Hummerbonbons und eine Consommé mit Injektion. Tatsächlich lagen auf der mobilen Stahltheke neben dem dampfenden Kochtopf und einem Erste Hilfe Kasten diverse Spritzen aus dem Krankenhaus, angefüllt mit (blut)roter oder weiss-gelblicher Flüssigkeit. Was, um alles in der Welt...? Zugegeben, nichts für sensible Gemüter! Lange wurde gerätselt, um welche Ingredienzien es sich in den Spritzen wohl handeln könnte, die wir in ein Suppenglas mit Nudeln injizieren sollten. Rote Beete und Meerrettich – das war die einfache Antwort. Nach 30 Minuten ging’s weiter durch Hintereingänge und Pausenräume für das Personal. Ziel: die "Crystal Hall Kitchen", in der Daniel Bucher seinen nächsten kulinarischen Coup plante. Auf einem schwarzen Spiegel aus Miso-Agar schwebte ein in Lavendel confiertes Bachsaiblingsfilet, dekoriert mit Keta-Kaviar, Ingwermayonnaise und einem Krokant-Ring aus Fischhaut. "Dieser Gang bekommt seine Tiefe und blumige Note durch Aromen von kaltem Wacholderrauch. Der Räuchervorgang wird mit Hilfe eines einfachen Bierglases erzielt, das mehrere Minuten lang über das Gericht gestülpt wird." Daniel war zweifellos in seinem Element, ebenso wie Organisatorin Benjawan, die passend zum Abendmahl einen "2005 Spätburgunder Pinot Noir" aus der Pfalz spendierte. Nicht minder originell: die blankgeputzte glänzende Festtafel. Schmunzelnd nahm unsere Gruppe am Stahltisch mitten in der Produktionsküche Platz, an dem sonst Hotelköche ihre Speisen zubereiten. In leeren Weinflaschen und verbeulten Blechkonserven steckten Kerzen, mit Reiskörnern gefüllte Glasbehälter dienten als Besteckkasten und rot-weiß karierte Küchentücher wurden zu Servietten. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Inszenierung war wirklich ein Hit und machte das gesamte Verkostungsteam sprachlos.Streetfood: Graupenrisotto und Schlangenbohnensalat
Nächste Station: die Wireless Road. "Ein Essen, das kulinarisch eigentlich so gar nicht nach Thailand passt, wird in der Bangkok-typischen Streetfood Art serviert", erklärte Daniel den nächsten Gang. Und so wurde ich im wahrsten Sinne des Wortes minutenlang zu einem "Straßenmädchen", als ich vor dem Hotel die Spezialitäten der kreativen Garküche probierte: ein Mushroom Risotto mit gebratenen Pilzen, Tofusheet, Gewürztomaten und einem frittierten Eigelb auf Graupenrisotto, dazu frischer Schlangenbohnensalat und ein schwerer roter "2008 FRED Zweigelt" aus dem österreichischen Kamptal. "Dieser Gang ist für mich der Inbegriff des zu-Hause-fühlens. Wir servieren herzhaftes Essen, das geschmacklich an Mutters Küche erinnert und sich doch deutlich davon abhebt".H(eiss)kalt: Dessert im Tiefkühlraum
Was serviert man bei minus zehn Grad? Etwas Heißes, das innen kalt ist und etwas Kaltes, das innen heiß ist! Nicht bibbernd und schlotternd, sondern wohlig in angewärmte Bademäntel gehüllt, saß unsere Gourmet-Truppe in der Kühlkammer im Untergeschoss des Hotels und sah dem weiterhin emsigen Treiben von Daniel Bucher und Küchenchef Martin Faist zu, die ihre Töpfe neben einer riesigen Eisskulptur zum Dampfen brachten. Heißer Topfenknödel erhielt im flüssigen Stickstoff bei -196 Grad eine eiskalte Zimtkruste; dazu wurde ein Pflaumensorbet gereicht, das bei 180 Grad Hitze frittiert wurde. Ein geniales Duo. Doch damit nicht genug! Zum krönenden Abschluss des Abends erwartete uns Chooleng Goh, die charmante Generaldirektorin des Plaza Athenées, in der Hotelhalle und drückte uns eine essbare, aus Schokolade und Knusperkrokant gefertigte "Keycard" in die Hand. Das Management lud zum finalen Empfang in die Ratanakosin Suite – eine wahrlich königliche Suite in diesem Royal Meridien Hotel.Dekadent: Falscher Kaviar und Schoko-Butter
Der Roomservice hatte alles bereitgestellt. Eine 1,6 Kilo Kaviar-Dose für zwölf Personen thronte auf einem mit allerfeinstem weißen Damast bedeckten Klapptisch, livrierte Buttler servierten Toast, der sich beim ersten Bissen allerdings als süße Hefebrioche herausstellte. Und – wie konnte es auch anders sein? Die vermeintliche Butter war eine Mousse aus weißer Schokolade und der feinkörnige Kaviar in der Super-Dose ein aus Cappuccino und Espresso-Perlen hergestelltes Wunderwerk. Dekadent? Im Laufe des Abends hatte ich mich an Buchers kreative Meisterleistungen gewöhnt und fand alles einfach grosse Klasse. Sogar Starfotograf Ralf Tooten, der unlängst gemeinsam mit Roger Willemsen den Bestseller "Bangkok Noir" produzierte und eigentlich schon alles in dieser Stadt gesehen hatte, rieb sich verwundert die Augen. So etwas gab es noch nie und alle Beteiligten waren sich einig: Daniel konnte eigentlich nichts mehr toppen! Doch weit gefehlt. Den Gipfel seiner Wertarbeit erlebten wir schliesslich im Badezimmer.Zum Schlucken: Rosenseife und Zahnpasta
"Als ich im Royal Meridien in Bangkok ankam, war mir klar, dass es noch einen absoluten Höhepunkt meiner Experimentierfreude geben müsse. Meine Idee war es, zum Abschluss ein Essen zu kreieren, das wirkliche Überwindung kostet, um es zu kosten", sagt Daniel . "Also beschäftigten sich Mixologist Axel Herz und ich mit der Frage, welche Cocktails und welche Grundgeschmäcker in das Ambiente eines luxuriösen Badezimmers passen - und vor allem in welcher Form". Für die jungen Köche wurde dieses Ansinnen schliesslich zur größten Herausforderung, nämlich ihre speziellen Mixturen in entsprechende Tuben und Flakons einzufüllen und diese zu etikettieren. Mit dem originalen Hotellogo, versteht sich. Eine geniale optische Täuschung. Wer sich also am späteren Abend an das "stille Örtchen" der Suit zurückzog, erlebte den ultimativen Aha-Effekt: Essbare Schwämme, Chocolate-Rose-Soap-Toilettenseifen und pinkfarbene Schaumbadkugeln in der Badewannen-Ablage. Im "Happy Facial Kit" des Hotels steckte eine Tube mit Passion Fruit und Lime Jelly, die Zahnpasta schmeckte nach Chocolate Mint, das Erfrischungs-Spray bestand aus Green Tea und der "Condition Improver" war ein Basil Smash. Ein verführerisches und verwirrendes Spiel mit den Sinnen. Und all das für nur zwölf geladene Gäste? Was für ein großer finanzieller und personalintensiver Aufwand! Mehr als ein Dutzend Köche waren an diesem ersten kreativen und progressiven Spektakel in Bangkok beteiligt, nicht zu vergessen die Monate der akribischen Vorbereitung und Organisation. "Aber die wirklich überwältigende Reaktion unsere Gäste war jede Mühe wert", resümieren Daniel Bucher und Benjawan Wisootsat. Ich kann dies nur bestätigen. Jede einzelne bacchantische Inszenierung an den verrücktesten Hotel-Locations wird allen Teilnehmern nachhaltig in Erinnerung bleiben, und wer das Glück hatte, bei Bangkoks erster "Pop-up Restaurant Experience" dabei gewesen zu sein, wird noch lange davon sprechen.Daniel Bucher, Pangram’s Kitchen Hamburg: www.pangramskitchen.com
Benjawan Wisootsat, FIN Event Agentur & Feine Weine: www.take-fin.com
Plaza Athenée Bangkok, A Royal Meridien Hotel, www.lemeridien.com/bangkokplazaathenee
Kontakt: General Manager Chooleng Goh, E-Mail: chooleng.goh@lemeridien.com
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