Interview:
Dr. Hanns Schumacher (li.) im Gespräch mit THAIZEIT-Chefredakteur Mark Sonntag (Foto: Archiv)
Mit Botschafter Hanns Schumacher
Die Amtszeit von Dr. Hanns Schumacher in Bangkok ist zu Ende. THAIZEIT hat ihn zum Abschied interviewt und sich mit ihm unter anderem über die Boeing-Affäre unterhalten.
Herr Botschafter, Sie verlassen Thailand am 20. August. Wie kommt es zu dem vorzeitigen Wechsel und was wird Ihre neue Aufgabe sein?
Vorzeitig ist der Wechsel nicht: die Zeit vergeht leider schnell. Die normale Amtszeit von drei Jahren ist abgelaufen. Es ist kein Geheimnis, dass ich gerne in Bangkok geblieben wäre – und ich gehe nur sehr ungern, da bin ich ganz ehrlich. Über meine neue Aufgabe kann ich leider noch nichts sagen. Es läuft eine internationale Bewerbung bei den Vereinten Nationen, über die noch nicht entschieden ist. Sollte daraus nichts werden, hoffe ich auf eine neue Aufgabe in Europa.
Rückblickend auf die letzen fast drei Jahre – was ist das Fazit Ihrer Arbeit und Ihrer Erfahrungen in Thailand?
Ich habe Bangkok und Thailand und die Tätigkeit hier wirklich genossen! Man findet selten im Auswärtigen Dienst einen Posten, der so in sich stimmig ist: eine berufliche Herausforderung mit interessanten politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Ein zentraler Standort für die deutsche Wirtschaft, wo Botschaft, Kammer und Germany Trade and Invest (GTAI) gut zusammenarbeiten. Die Rechts- und Konsularabteilung mit ihrem großen Arbeitsanfall gilt als "das letzte Abenteuer des Auswärtigen Dienstes" – so das Fazit unseres Inspekteurs im Dezember 2009, der dieser Botschaft in allen Bereichen eine großartige Arbeit bescheinigt hat. Und gleichzeitig ein faszinierendes Land mit wunderbaren und herzlichen Menschen, in dem sie sich frei bewegen können. Ich würde mir wünschen, dass auch Berlin, die Bundesregierung, wieder ein stärkeres Augenmerk auf Thailand richtet, so, wie dies vor dem Militärputsch 2006der Fall gewesen ist. Mein Fazit ist der Film, den wir anlässlich des 150. Jahrestages der Unterzeichnung des Vertrages zwischen dem Königreich Siam und den Hansestädten produziert haben: "Hochbahn nach Siam" – eine Dokumentation, wie überaus komplex und vielseitig die Beziehungen zwischen unseren Ländern geworden sind. Er kann über unsere Website bestellt werden.
In den letzten Wochen schlugen die Emotionen hoch wegen der Beschlagnahmung des Flugzeugs des Kronprinzen in Deutschland. Hat das Ihre positive Bewertung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern verändert?
Ich bedaure zutiefst und von ganzem Herzen, dass das Königshaus in diese Angelegenheit hineingezogen wurde! Dafür kann aber nicht die deutsche Seite verantwortlich gemacht werden! In der Sache haben sich Botschaft und Bundesregierung nichts vorzuwerfen. Die Firma Walter Bau hat sich nach den Vorschriften des gültigen Investitionsvertrages zwischen unseren beiden Ländern absolut korrekt verhalten. Dem Schiedsverfahren hatte die thailändische Seite ausdrücklich zugestimmt und den Schiedsspruch von 2009 nicht angefochten. Wir haben immer wieder die thailändische Regierung diskret gebeten, dieses Problem endlich auszuräumen und zuletzt schon im März 2010 das thailändische Außenministerium schriftlich davor gewarnt, dass es zu Zwangsvollstreckungen kommen könnte. Unseren Empfehlungen wurde leider nicht gefolgt, im Gegenteil. Die Bundesregierung hat keinen Einfluss auf die Maßnahmen des Konkursverwalters und schon gar nicht auf gerichtliche Entscheidungen. Die Gefühle der thailändischen Öffentlichkeit, die über diesen komplexen Sachverhalt nicht informiert ist, sind nachvollziehbar – nicht aber einige politische Stellungnahmen, die diese Emotionen auch noch angeheizt haben. Dazu werde ich mich nicht öffentlich äußern. Ich sehe mit dem Dienstantritt der neuen Regierung ernsthafte Bemühungen, das Problem vom Tisch zu bekommen – im Sinne unserer guten und freundschaftlichen Beziehungen! Die Erklärung des Kronprinzen dazu begrüße ich von ganzem Herzen.
Was war die größte Herausforderung während Ihrer Amtszeit?
Wer Erfahrung im Bewältigen von Krisen haben wollte, war in Bangkok gut aufgehoben: Flughafenschließung, Songkran-Unruhen, Vulkanasche-Alarm, Botschaftsschließung während der Demonstrationen im April/Mai letzten Jahres usw. Das ist schon eine ungewöhnliche Häufung von besonderen Notlagen in relativ kurzer Zeit. Und ich darf sagen: Auf diese Botschaft bin ich stolz! Wir haben das in einem großartigen Team hervorragend bewältigt. Man kann es in solchen Ausnahmesituationen nie allen recht machen, und die öffentliche Kritik ist grad bei Botschaften sehr schnell bei der Hand, den Daumen zu senken. Manchmal wird die Kritik sogar maßlos. Das war Gott sei Dank in Bangkok nicht so – über den Zuspruch haben wir uns gefreut.
Und was war Ihr schönstes Erlebnis?
Ich habe immer gerne das Land bereist, von Nord bis Süd. Vermutlich war ich der Botschafter, der am häufigsten auch die vier Süd-Provinzen besucht hat. Und die schönste Erfahrung war – immer und überall – der herzliche Empfang, die Gastfreundschaft und die Bekanntschaft mit wunderbaren Menschen! Deutschland hat einen guten Ruf in Thailand, das habe ich überall gemerkt. Dies hat das Arbeiten leicht gemacht.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung der deutsch-thailändischen Beziehungen über die letzten drei Jahre?
Darüber habe ich ja schon häufiger gesprochen. Der Militärputsch 2006 war eine große Zäsur, die uns in den bilateralen Beziehungen wirklich zurückgeworfen hat. Dieses Tief haben wir ganz klar überwunden. Die erste, vertiefte Konsultationsrunde der Gemeinsamen Wirtschaftskommission in Berlin 2009, der Besuch von Außenminister Kasit in Deutschland 2010, die anschließende Begegnung von Premierminister Abhisit mit der Bundeskanzlerin am Rande einer internationalen Konferenz in Brüssel, eine ganze Reihe von Besuchen thailändischer Minister in Deutschland während meiner Amtszeit zeigen eine regen Austausch. Ich hoffe sehr, dass die nächste Sitzung der Wirtschaftskommission, wie geplant, im Oktober in Bangkok stattfinden wird. Wirtschaft, Tourismus und, was oft vergessen wird, der akademische und kulturelle Austausch – das Goethe Institut ist schon seit über 50 Jahren in Thailand, der DAAD ebenso – sind unsere Bindeglieder. Und die sind enorm fest und vielseitig für zwei so weit voneinander entfernte Länder in völlig unterschiedlichen Kulturkreisen. In der letzten Parlamentswahl hat das Land gezeigt, dass es demokratisch gereift ist – eine gute Grundlage, um diese Beziehungen jetzt zu vertiefen. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit der neuen Regierung.
Mit welchen Wünschen an Thailand verlassen Sie das Königreich?
Mit dem großen Wunsch, dass das Land sein enormes Entwicklungspotential in einer Weise nutzt, die das Wohl der gesamten Bevölkerung zum Ziel hat. Thailand hat hervorragende Wirtschaftsdaten, bei denen jedes Euro-Land neidisch werden könnte. Thailand hat eine breite Produktionspalette und Know-how, von Elektronik über Maschinenbau bis hin zu einer bedeutenden Funktion als Nahrungsmittelproduzent. Thailand ist eines der wenigen Länder, weltweit, das seinen Zeitplan zur Erreichung der sogenannten "Millenium-Ziele" einhält, als da sind Senken der Kindersterblichkeitsrate, effiziente Gesundheitsversorgung, gleiche Bildungschancen für Mädchen und Jungen, saubere Trinkwasserversorgung und noch einiges mehr. Und Thailand hat disziplinierte und fleißige Menschen, die arbeiten und, wie überall, ihren Wohlstand sichern wollen. Dieses Land hat alle Möglichkeiten einer prosperierenden Entwicklung und kann eine Schlüsselstellung einnehmen in einem regionalen Integrationsprozess.
Was werden Sie vermissen, wenn Sie Thailand verlassen?
Ganz eindeutig: the amazing smile. Die Thais haben eine grundsätzlich positive Einstellung zum Leben. Man merkt das im öffentlichen Raum – und wer es nicht merkt, soll sich mal bitte morgens in eine deutsche U-Bahn setzen. Wissen Sie, was mich wirklich fasziniert hat, als ich vor drei Jahren meinen Dienst hier antrat? Dass hier im Straßenverkehr, auch wenn es sehr chaotisch wird, kaum jemand hupt. Auch, wenn man dem anderen vielleicht die Pest an den Hals wünscht: man bleibt höflich. Wenn man dann wieder auf einer deutschen Autobahn gefahren ist und der Hintermann einem blinkend und hupend am Kofferraum hängt und mit obszönen Gesten vorbei drängelt, dann weiß man diese Höflichkeit als ein sehr hohes Gut zu schätzen. Wir Europäer, von denen sich manche zu Unrecht so überaus überlegen fühlen, sollten sich daran ein Beispiel nehmen.
Gibt es eine Botschaft, die Sie der deutschen Community in Thailand hinterlassen wollen?
"Die" deutsche Community, eine homogene Gruppe, gibt es in Thailand nicht. Deshalb werde ich mich auch davor hüten, Botschaften für dieselbe zu hinterlassen, die dann in den einschlägigen Chat-Foren nur zerpflückt würden. Den Einrichtungen, die Deutschland repräsentieren, als da sind das Goethe Institut, der DAAD, die GIZ, der Deutsche Hilfsverein, unsere Honorarkonsuln in Chiang Mai, Phuket und Pattaya, die Fraunhofer Gesellschaft, auch die Swiss School gehört dazu, der Handelskammer und der GTAI, auch unseren Thai-deutschen Partnern, vor allem der Thai Deutschen Kulturstiftung und der Thai-Deutschen Gesellschaft, den Alumni-Vertretern – es gibt noch eine ganze Menge, die ich hier nicht aufzählen kann – all diesen muss ich einfach meinen Dank aussprechen für eine wunderbare Zusammenarbeit, die ich sehr vermissen werde. Wenn ich vielleicht einen Wunsch äußern darf gegenüber den deutschen Mitbürgern, dann vielleicht eine Bitte um mehr Verständnis für die wirklich aufreibende Arbeit unserer Konsularabteilung, die eine hervorragende Arbeit leistet, auch im Visa-Bereich.
Wo werden Sie im nächsten Jahr Urlaub machen?
Ich werde aufmerksam die nächsten Ausgaben der THAIZEIT studieren und mich – wie häufig – nach deren Empfehlungen richten, die immer gut waren! Da meine Frau eine begeisterte Thailandurlauberin und Taucherin ist, dürfte es wohl nicht allzu lange dauern, bis wir wieder hier sind!
Mark Sonntag
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