Bangkok: Das Kolosseum!
Das Rajadamnern-Stadion in Bangkok ist Thailands älteste Muay-Thai-Arena und gehört noch immer zu den besten Adressen für aufregende Kämpfe. THAIZEIT war am Ring und hat vor und hinter den Kulissen viel Tradition entdeckt.
Unter dem Kuppeldach des Rajadamnern-Stadions vibriert die Luft. Der Hauptkampf des Abends geht in die entscheidende Runde und im Ring wird es noch mal eng. Das Publikum ist von den Rängen aufgestanden und brüllt sich heiser, die Trommler beschleunigen ihren Takt, beide Kämpfer gieren nach dem Sieg. Spannung bis zum Schlussgong: Für solche Momente wurde Thailands erste Muay-Thai-Arena einst errichtet.
In Deckung auf den teuren Plätzen
„Es läuft hier wie mit den Gladiatoren und dem Kolosseum im alten Rom“, sagt Jit, „die besten Thaiboxer des Landes kommen nach Bangkok und messen sich im Rajadamnern.“ Der Vergleich mit dem Wahrzeichen Roms passt: Auch beim Rajadamnern türmen sich die Zuschauerränge wie ein Rondell um den Platz des Geschehens. Die teuren Plätze liegen direkt am Ring, und zwar so nahe, dass die ersten beiden Reihen Spritzer abbekommen, wenn ein schweißnasser Kämpfer sich an den Seilen einen Kopftreffer einfängt. Der Muay-Thai-Tempel ist wie das Kolosseum aber auch etwas baufällig. Der Putz blättert an vielen Ecken von den Wänden und einige Einrichtungen, wie zum Beispiel der Kiosk, stammen aus einer Zeit, als das Black Berry von Jit noch als Science Fiction galt. Am 23. Dezember 1945 wurde der erste Kampf im Rajadamnern ausgetragen – die 65 Jahre sind dem Gebäude anzusehen. Jits Kinderstube müsste mal wieder renoviert werden.
Das macht die Vermarktung nicht gerade einfacher – „Ich habe mit einem amerikanischen Sportsender über Live-Übertragungen gesprochen, aber für die geforderten Umbauarbeiten hätten wir alles abreißen und wieder aufbauen müssen“, erzählt Jit – jedoch verleiht die Patina der Arena auch einen gewissen Charme.
Ein Haus in bester Lage
Welchen Stellenwert Muay-Thai im thailändischen Königreich genießt, verdeutlicht die Lage des Rajadamnern. Es befindet sich in Nachbarschaft zum Regierungsgebäude und direkt gegenüber vom Sitz der Vereinten Nationen. Die Rajadamnern-Avenue gilt als die Champs-Elysée Bangkoks. Sie führt am Monument der Demokratie vorbei und mündet am alten Königspalast. Die Gemeinsamkeit der Bauwerke an dieser Prachtstraße ist, dass sie den Nationalstolz der Thais beherbergen. Der Umgang seiner Landsleute mit dem Volkssport Muay-Thai ist jedoch die zweite Sorge, die Jit plagt. Nicht, dass er sich über zu wenig Publikum beschweren möchte – als er beim Hauptkampf am Ring sitzt, blickt er auf einige hundert Zuschauer, darunter viele Touristen. Aber was er im Verhalten der meisten Besucher beobachtet, lässt ihn verzweifeln. „90 Prozent der Leute kommen nur, um zu wetten“, sagt er und deutet auf die Menschenmenge in den mittleren und oberen Reihen, wo hektisch Geldbeträge und Gewinnprognosen an umher flitzende Ein-Mann-Wettbüros abgegeben werden. Jit schüttelt den Kopf: „Der Sport an sich verkommt zur Nebensache“. Das Problem macht ihn, wie er zugibt, ratlos. Und es passt auch so gar nicht zum Thaiboxen, wo Würde und Tradition vor jeder Begegnung aufs Neue betont werden. Ein Kampf beginnt nicht, ehe das sogenannte Wai Khru zelebriert worden ist. Bei dieser Zeremonie schreiten die Kontrahenten den Ring ab und verbeugen sich in drei Ecken, es sind Respektsbekundungen für die Familie, den Trainer und die Zuschauer. Dann gehen sie in der Mitte des Rings auf die Knie. Bis zum Beginn des Kräftemessens tragen sie Bänder an den Oberarmen und ein dickes, geflochtenes Stirnband, das Monkol. Die Tracht soll als Glücksbringer dienen. Ohne Wai Khru und Monkol steigt kein Kämpfer in den Ring, auch nicht die ausländischen Thaiboxer.Knochenbrüche und Orchestermusik
Ebenso ist es unvorstellbar, dass ein Kampf ohne Live-Musik von einer vierköpfigen Band von Trommlern und Flötenspielern bestritten wird. Die Kämpfer geben dem Orchester den Takt vor, mit der Dynamik im Ring steigt auch das Tempo der Musiker. Ihr Konzert dauert so lange wie der Kampf: Fünf Runden von jeweils drei Minuten Länge – wenn ein Kämpfer nicht vorher K.O. geht. Muay-Thai ist kein Tischtennis: Es geht hart zur Sache, blaue Augen und Platzwunden sind an der Tagesordnung, Knochenbrüche keine Seltenheit. Schwere Verletzungen gibt es an diesem Abend nicht und alle zehn Kämpfe im Programm gehen über die volle Rundenzahl. Jit läuft durch die Katakomben seiner Kinderstube ins Konferenzzimmer, vorbei an einer Gruppe von Touristen, die sich mit dem Sieger des Hauptkampfes ablichten lassen. Natürlich mit geballten Fäusten. Der Marketing-Manager beobachtet das Ganze mit Zufriedenheit. Im Konferenzraum wartet aber schon wieder Arbeit auf ihn. Eine vier Meter lange und dicht beschriebene Tafel hängt dort. „Das sind die Namen der Champions der diesjährigen Kämpfe“, sagt er, „ich bin gerade dabei, sie auf dem Computer zu erfassen. Sowieso muss ich das ganze IT-System hier umstellen und erneuern.“ Noch eine Sorge mehr. An der Wand gegenüber der Tafel hängt ein Porträtfoto von Jits Großvater. Als er das Rajadamnern mitbegründete, trugen die Kämpfer noch Kokosnussschalen als Tiefschutz.Weitere Artikel zum Muay-Thai-Spezial
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Professionelle Kämpfer können von ihrem Sport leben. Die Börse kann bei Hauptkämpfen bis zu 100.000 Baht betragen. Die Anzahl der Titel ist unübersichtlich, die Champions verteidigen sie fast jeden Monat. Öffnungszeiten Im Rajadamnern wird montags, mittwochs, donnerstags und sonntags ab 18 Uhr gekämpft. Die Kämpfe unter der Woche sind in der Regel auf höherem Niveau. Eintritt 1.000, 1.500 oder 2.000 Baht Rajadamnern Stadium No.1 Rajadamnern Nok Road, Pomprob Tel: +66 (0) 2281 4205 oder +66 (0) 2280 16846. Web: Rajadamnern.com
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