FÜNF JAHRE TSUNAMI:

GEDENKEN AN DIE FOLGEN DER GROßEN WELLE

THAIZEIT im Gespräch mit Carola Helwig über das Krisenmanagement und den deutschen Einsatz in Zeiten der Tsunami-Flutkatastrophe.


„Es herrschte absolute Stille als sich das Meer zurück zog, in dem Moment als sich die gewaltige Kraft der Welle erschöpfte. Tausende zappelnde Fische, Sandbänke, Korallenriffe und Muscheln glitzerten zwischen den Trümmern und vereinzelten Fundamenten. Nur ein einzementiertes Marmorschild deutet noch darauf hin, dass hier einst mal ein Ressort mit 70 Bungalows gestanden hat.“
Carola Helwig wirkt nachdenklich als sie über ihre damaligen Erlebnisse während ihrer Mitarbeit im Tsunamigebiet berichtet. Fünf Jahre ist die große Katastrophe nun her, aber sie wirkt noch heute, die Bilder im Kopf scheinen gegenwärtig. Carola, Diplom-Betriebswirtin, heute Trainerin und Lehrbeauftragte für interkulturelle Kommunikation, war nach der Katastrophe mehrere Monate im Tsunamigebiet ehrenamtlich für die „Evangelische Gemeinde deutscher Sprache in Thailand“ tätig. Ihre fachlichen Schwerpunkte in Organisation und Projektmanagement halfen ihr bereits bei der Leitung eines Entwicklungsprojektes in Westafrika und bei der Arbeit mit der UNO in Bangkok (UN ESCAP). Mit dem Auftrag, kurzfristige Sofortmaßnahmen durchzuführen und langfristige Aufbau- oder Hilfsprojekte mit Spendengeldern zu unterstützen, setzte sich Carola 2004/2005 mehrmals in den Flieger gen Süden.

MINUTENLANGE STILLE

Carola erinnert sich an einen zweiten Moment der minutenlangen Stille: 2.000 Mönche ruhen auf der Tribüne, zahlreiche Vertreter der Hilfsorganisationen und mehrere Tausend weiß gekleidete, trauernde Menschen knien auf den Rasenflächen, aufgerufen, an die eigenen guten Taten zu denken. Die Open-Air-Gedenkveranstaltung vereint. Als jeder eine Kerze anzündet, verwandelt sich das Stadion in ein unendliches Lichtermeer. Mit den Kerzen werden riesige Lampions erleuchtet und in den Nachthimmel befreit. Die guten Gedanken sollen nun die Seelen der Verstorbenen begleiten. Und als sich der Himmel mit mehreren tausend Lampions füllt, hat jeder die Zahl der vielen Toten ganz hell vor Augen. Das ganze Ausmaß der Katastrophe wird deutlich. In der Ortschaft Baang Muang bei Khao Lak, in der Carola tätig wurde, wurden von 2000 Häusern 1700 vom Meer verschluckt. Carola spricht von zahlreichen Schicksalen, so auch von Khun S., die im Kochhaus ihrer Bungalowanlage sitzt und durch eine herausgebrochene Wand auf die Fundamente ihrer neun Gästezimmer starrt. Von ihrem eigenen Haus ist nur die Hälfte des Badezimmers stehen geblieben. Dreizehn Jahre hat Khun S., die fließend schweizerdeutsch spricht, mit ihrem Mann in der Schweiz gelebt, bevor beide beschlossen hatten, sich einen Traum zu erfüllen. Knapp ein Jahr war die Anlage erst in Betrieb, als sie von der Welle überrollt wurde. Khun S. erzählt Carola, dass sie sich in den Fluten an der Klimaanlage im zweiten Stock eines Hauses festhalten konnte, während ihr schweizerischer Mann mit den Leitungen eines Strommastes in Berührung kam. Nach zwei Tagen fand sie den Leichnam Ihres Mannes, der nach buddhistischem Ritus im Tempel verbrannt wurde. Andere Menschen leben in Ungewissheit, sie wissen nicht wo sich ihre Angehörigen befinden. Ohne eine Bestattung finden die Seelen der Toten auch keine Ruhe – für gläubige Buddhisten ein unerträglicher Gedanke.

LEBENSTRÄUME VERSINKEN IN DEN FLUTEN

Carola spricht über die großen Hilfsorganisationen, die fast ausschließlich in Baan Naam Kem tätig waren, wo ca. 70 Prozent der Häuser zerstört wurden und über 2000 Menschen ihr Leben ließen. Weniger betroffene Gebiete erhielten auch weniger Aufmerksamkeit. Somit fuhr Carola weiter nördlich Richtung burmesischer Grenze. Abseits, in Baan-Talee Nok, einem kleinen Fischerdorf zwischen Kuraburi und Ranong, war der Tsunami nicht als hohe Welle herein gebrochen. Das Wasser stieg hier kontinuierlich an – beim Abfließen riss der Sog dann alles mit sich. Direkt am Strand lag die Schule. Die Menschen blicken nun auf das übrig gebliebene Betonfundament und einen einsamen Fahnenmast – man konnte nicht einen Backstein der Mauer wiederfinden. Die Evangelische Kirchengemeinde erkannte den Bedarf, beteiligte sich am Aufbau des neuen Schulgebäudes und finanzierte unter anderem den Kauf von mehreren Fischerbooten.

DER SOG RISS DIE SCHULE IN DIE TIEFE

Besonders beeindruckt hat Carola der Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft der Menschen. Um knapp eine Tonne Reis zu transportieren, den man ihr zuvor fast zum Selbstkostenpreis verkaufte, sprach sie einen jungen Mann auf dem Markt an und lieh sich seinen Pick-up Transporter. Geld hierfür wollte er nicht. Als Carola sich bedankte, dankte der Mann hingegen Carola. Er und seine Familie sowie sein Haus und Besitz waren gänzlich von der Welle verschont geblieben. Nun wollte er gerne etwas für andere Menschen tun. Carola hätte ihm endlich die Möglichkeit gegeben, sich nützlich zu machen. Im Flugzeug traf Carola eine Amerikanerin, die ihre Freunde in Khao Lak verloren hatte. Als sie ihr von ihrem Einsatz im Süden erzählte, drückte die Dame Carola ohne viele Worte 440 Euro für Reis in die Hand.

ANGEMESSENE HILFE

Neben all der Hilfe äußert sich Carola auch kritisch und bemerkt, dass in Zeiten der Krise eine besondere Notwendigkeit besteht ein Gespür für angemessene Hilfe zu entwickeln. Sie erzählt: „Damals hat mich für mehrere Tage ein Deutscher während meiner Arbeit begleitet, dessen Verein sehr viel Geld gespendet hatte. Nun wollte er vor Ort sehen, in welcher Weise mit dem Geld geholfen wurde. Der Herr war entsetzt über die primitive Art der Unterbringung in den Auffanglagern: Kahler Betonboden, schlichte Backsteinmauern mit einfachen Glasfenstern, Wellblechdach, nackte Glühbirne, zementierte Stehtoilette. Aus seiner Sicht war diese Unterbringung sehr schäbig. Die meisten ärmlichen Familien von den vorgelagerten Inseln Thailands hatten hingegen noch nie zuvor eine so komfortable Behausung bewohnt. Einige wollten die provisorischen Unterkünfte gar nicht mehr verlassen.“ Dank der schnellen Hilfe und den vielen Spenden war ein rascher Wiederaufbau in der Region möglich. Der Alltag ist nach fünf Jahren größtenteils wieder eingekehrt, Khun S. hat Ihre Bungalowanlage wieder aufgebaut und auch die Touristen haben ihren Weg in diese bildhaft schöne Gegend wieder gefunden.

Christin Grothaus


BUNDESVERDIENSTKREUZ Das Deutsche Honoroarkonsulat in Phuket erhielt für den Tsunami Einsatz das Bundesverdienstkreuz. Dirk Naumann, einer der meistbeschäftigten Honorarkonsuln weltweit, setzte sich mit hohem persönlichem Engagement als unermüdlicher Krisenmanager während und nach der großen Welle für die Belange der leidtragenden Bevölkerung ein. Damit prägte er das Bild Deutschlands als verlässlicher Partner Thailands, auch in Krisensituationen – in Zeiten wenn es drauf ankommt. CAROLA HELWIG Carola Helwig ist als Trainerin für den Bereich „Interkulturelle Kommunikation“ in Deutschland und in Thailand unterwegs. Sie bereitet deutsche Fach- und Führungskräfte auf deren beruflichen Aufenthalt in Südostasien vor und hält Seminare für Thailand-Interessierte, z.B. auch für Reisegruppen ab. Des Weiteren sensibilisiert Carola als Lehrbeauftragte der Universität Hamburg das interkulturelle Verständnis der Studenten, unter anderem am Asien-Afrika-Institut im Fachbereich Thaiistik. Mehr Informationen unter: www.kulturkompass.asia KINDERBILDER Die Bilder entstanden, als Carola den Kindern eines Auffanglagers Malfarben brachte. Die fröhlichen Bilder wollten die Kinder behalten, die „Wellenbilder“ brachte Carola mit nach Deutschland. Die Bilder können als Ausstellung auf Anfrage bei Helmut Lindner ausgeliehen werden: www.designwerft.biz

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