Gouverneur von Bangkok:
Alle an einem Runden Tisch
Deutsche Bank und Mercedes-Benz baten Sukhumbhand Paribatra zum Gespräch mit multinationalen Unternehmen in Thailand.
Herr Sukhumbhand Paribatra ist für seine offenen Worte bekannt. Wenn es um seine Überzeugung geht, steht er für diese ein – notfalls auch gegen seine eigene Partei, die Demokraten. Eine kleine Gruppe von Unternehmensvertretern hatte die Gelegenheit, die Lage in Bangkok und die politische Situation in Thailand und der Demokratischen Partei mit dem Gouverneur zu diskutieren. Die Deutsche Bank und Mercedes-Benz hatten dazu ins Grand Hyatt Erawan Hotel eingeladen.
„Bangkok voran!“ nennt Sukhumbhand sein Programm. Es beinhaltet konkrete Maßnahmen gegen Überschwemmungen, Luftverschmutzung und den Verkehrsinfarkt, für verbessertes Müllmanagement und mehr Sicherheit. Unter dem Motto „große Probleme erfordern große Lösungen“ will der Gouverneur jetzt klotzen und nicht mehr kleckern. „Bangkok ist Thailands Visitenkarte. Millionen Besucher kommen jedes Jahr in die Stadt“, sagt Sukhumbhand. Bis 2013 will er sein Programm durchsetzen und damit auch das Bild Bangkoks in der Welt positiv verändern.
Die drohende Überflutung der Stadt beispielsweise soll durch eine neue Mega-Kanalisation aufgehalten werden. Vier gigantische Tunnel mit einem Durchmesser von fünf bis sechs Metern und einer Länge von 50 Kilometern sollen die Stadt in Zukunft entwässern. Dadurch werde sich die Abwasser-Kapazität in den nächsten fünf Jahren um den Faktor 2,5 erhöhen. So würden unter anderem die Überschwemmungsflächen ausgeglichen, die dem Flughafen Suvarnabhumi zum Opfer gefallen sind.
Überflutungen schon lange ein Problem
Bereits vor 27 Jahren war Bangkok monatelang überschwemmt. Seither sind auf Initiative Seiner Majestät des Königs bereits viele Flutsicherungsmaßnahmen getroffen worden, unter anderem wurden 77 Kilometer Deiche gebaut. Allerdings sei die Gefahr noch lange nicht gebannt. Der Gouverneur rechnete vor, dass die Kosten für nicht nachhaltige Maßnahmen, wie temporäre Wälle aus Sandsäcken oder das Abpumpen der Fluten, in fünf Jahren genauso hoch wären wie die Baukosten für die Tunnel. Gegen die langfristige Gefahr der Überschwemmung durch den steigenden Meeresspiegel helfen solche Tunnel jedoch kaum. In 40 Jahren könnte Bangkok also trotzdem unter Wasser stehen – wenn nicht die benachbarten Provinzen mit Bangkok an einem Strang ziehen und effektiv die Küsten schützen. Sukhumbhand Paribatra will auch bei diesem Projekt die Pionierrolle übernehmen. Der Luftverschmutzung will der Gouverneur mit mehr Grünflächen begegnen. 320 Hektar sollen in den nächsten vier Jahren dazukommen. Bereits jetzt habe sich der grüne Anteil der Stadt im Vergleich zu 2008 um rund 20 Prozent erhöht. Augenblicklich seien fünf neue Parks in Bau, die jeweils zwischen 1,6 und 16 Hektar groß werden sollen.Investitionen in Nah-verkehrs-Infrastruktur
Zehn Millionen Menschen pendeln täglich in die City. Der Ausbau von Bahnsystemen wie U-Bahn (MRT) und Skytrain (BTS) um weitere 300 Kilometer in den kommenden zehn Jahren soll den Straßenverkehr entlasten. Eine besonders attraktive Vision Sukhumbhands ist der systematische und vollständige Ausbau der Skywalks, also der überirdischen Fußgängerwege, die bereits heute unterhalb einiger BTS-Strecken verlaufen. Eines Tages soll es möglich sein, von Bang Na nach Makkasan bis zum Victory Monument zu spazieren – einfach über den Verkehr hinweg. Darüber hinaus sollen neue Müllverbrennungsanlagen und alternative Müllkonzepte Entlastung schaffen. Und Investitionen in die Sicherheit sollen die Bewohner der Stadt schützen. Dazu zählen bessere Beleuchtung, mehr Videoüberwachung und ein Programm für Nachbarschaftshilfe. Neben all diesen technischen Projekten ist für Gouverneur Sukhumbhand aber ein anderes Thema von höchster Wichtigkeit: die psychologische Rehabilitation der Stadt nach den Unruhen im April und Mai dieses Jahres. Die „Together we can“-Kampagne sei wichtig und erfolgreich. Besonders beeindruckt habe ihn das Engagement Tausender Bürger beim Großreinemachen nach der Auflösung der Demonstrationen. Neben den Bangkokern sind auch die Investoren im Visier der Stadtverwaltung. Eine Kampagne zur Rückgewinnung des Vertrauens von Investoren soll in Kürze starten. Die Gebiete Ratchaprasong und Chinatown sollen zu städtischen Gebieten der Weltklasse erhoben werden. Das Vertrauen von Touristen sei zum großen Teil bereits wiederhergestellt. 2010 werden 9,6 Millionen Ausländer die Stadt besucht haben – über eine Million mehr als im vergangenen Jahr. Sukhumbhand machte klar, dass Bangkok sicher sei: „Sonst würde ich meinen Sohn nicht aus Oxford herkommen lassen“, so der Gouverneur.Versöhnung braucht Zeit
Im lebhaften Frage-und-Antwort-Teil ging es auch um die Unruhen. Sukhumbhand antwortete auf die Frage, ob der Konflikt auch Bangkoks Bevölkerung spalte, dass es sich nicht um einen Konflikt „Stadt gegen Land“ handle. Die zahlenmäßige Verteilung der Demonstranten über den Tag (wenige Hundert am Morgen, Tausende am Abend) mache deutlich, dass hauptsächlich Menschen aus Bangkok auf der Straße gewesen seien. Die Demonstranten seien auch nicht ausschließlich „ungebildete und fehlgelenkte Gestalten“. Sogar den Einfluss des gestürzten ehemaligen Premierministers Thaksin Shinawatra relativiert der Gouverneur. Die Versöhnung brauche Zeit, auch wenn Stabilität recht schnell erreichbar sei. Doch müsse es beispielsweise für Premierminister Abhisit Vejjajiva möglich sein, frei und unbehelligt durch die Städte im Norden und Nordosten zu gehen. Das müsse sogar für die Führer der Pheu Thai Partei (nahe an den „Rothemden”) in Thailands Süden gelten. Aber davon sei die Realität weit entfernt – der Versöhnungsprozess sei noch nicht weit gekommen. Kein Wunder, so Sukhumbhand, denn die Regierung sei Teil des Problems und somit nur bedingt geeignet, die Versöhnung herbeizuführen. Mit Staatsmacht allein ließe sich ein Volk nicht vereinen. Lösungen seien nur strukturiert und langfristig möglich. Der Gouverneur sprach sich dafür aus, im nächsten Schritt die Wahrheit über die Ereignisse der letzten Jahre ans Licht zu bringen und dann freie und faire Wahlen abzuhalten. Der Premierminister müsse jedoch die Möglichkeit haben, im Norden und Nordosten Wahlkampf zu betreiben.Verbot der Demokraten?
Auf ein mögliches Verbot der Demokratischen Partei angesprochen entgegnete der Gouverneur, er halte dies für nicht unwahrscheinlich. Vielleicht müsse Chuan Leekpai zum dritten Mal Premierminister werden. Er wäre im Gegensatz zu den meisten hochrangigen demokratischen Politikern nicht von einem Berufsverbot betroffen. Trotz der derzeitigen politischen Rahmenbedingungen hält Sukhumbhand einen neuen Putsch jedoch für sehr unwahrscheinlich. Neuwahlen hingegen sieht er bereits deutlich vor Ablauf der Legislaturperiode in der ersten Jahreshälfte 2011 als wahrscheinlich an. Den Ausgang der Wahl wollte Sukhumbhand nicht prophezeien. Er machte jedoch deutlich, dass im bevölkerungsstarken Norden und Nordosten Wahlen entschieden würden und die Demokraten dort derzeit nicht sehr angesehen seien. Dabei seien die Demokraten früher gerade in diesen Gebieten stark gewesen – bis zu einer Kampagne in den 90ern, die die Demokraten als eine Partei des Südens positionieren sollte. Auch habe sich seine Partei immer gegen Militärdiktaturen stark gemacht. Insofern habe sich das Image in die falsche Richtung verändert. Als älteste Partei Thailands haben die Demokraten viele Krisen überstanden, aber die gegenwärtige Situation sei für die Partei brandgefährlich. Es sei noch kein Mittel gegen den Populismus einiger Oppositionspolitiker gefunden worden. Viele heutige Gegner der Regierungspartei hätten ihre politische Ausbildung bei den Demokraten genossen und sich anschließend abgespalten und als Populisten inszeniert. Vor dem Phänomen Thaksin habe es nur zwei Arten von Politikern gegeben: die Mitglieder der Demokratischen Partei und die Absolventen der Demokratischen Partei. Thaksin sei raffiniert genug gewesen, nicht diesen Weg zu gehen – andernfalls sei er heute womöglich Vizeminister im Telekommunikationsministerium.In vielen Bereichen machtlos
Sukhumbhand musste einräumen, dass die Stadtverwaltung bei vielen Problemen hilflos sei, weil die Verantwortung bei Behörden liege, die unabhängig agierten. Zum Beispiel könne die Stadt nichts gegen das Lkw-Depot im Wohngebiet Wattana tun, oder gegen umständliche Rangiermanöver von Lastwagen in der Nähe des Hafens. Den Bangkoker Tiefseehafen hält der Gouverneur im Übrigen für komplett überflüssig, seit moderne Seehäfen wie Laem Chabang die Aufgaben übernehmen könnten. Auf dem fast 100 Hektar großen Gelände könnten Parks und Wohnanlagen für Unterprivilegierte entstehen. Von einem entsprechenden politischen Willen oder einer Investitionsbereitschaft in solche Projekte sei allerdings noch nichts zu spüren. Die Diskussion streifte die BTS-Erweiterung bei On Nut („Eröffnen wir am 12. August 2011“), Anschnallgurte in Taxen („Können wir nicht vorschreiben“) und die Effizienz bei der Erhebung von Einkommenssteuern („Sogar Nudelstände werden erfasst“). Auch die Drogenproblematik geriet in den Mittelpunkt. Bangkok sei eine sehr offene Stadt, sogar unter der Notstandsverordnung. Es sei einfach, Drogen zu transportieren und zu verteilen. Als gewählter Gouverneur habe er keine Weisungsgewalt gegenüber der Polizei, diese agiere unabhängig. Die ernannten Gouverneure in den Provinzen hätten in dieser Beziehung mehr Macht und könnten mehr gegen Drogen unternehmen – auch, wenn Sukhumbhand meint, dass gewählte Gouverneure insgesamt stärker Verantwortung übernähmen als die ernannten Kollegen. Eine häufig gestellte Frage konnte Gouverneur Sukhumbhand Paribatra nicht beantworten: Wie viele Menschen leben eigentlich in Bangkok? Registriert sind 6,2 Millionen, aber in Wirklichkeit werden es deutlich mehr als 12 Millionen sein.Mark Sonntag
Über Sukhumbhand • Mom Rajawongse Sukhumbhand Paribatra • Urenkel von König Chulalongkorn und Cousin von König Bhumibol Adulyadej • seit 11. Januar 2009 Gouverneur von Bangkok • Mitglied der Demokratischen Partei • Schule und Studium in England, Bachelor in Politikwissenschaften • 1997-2001 stellvertretender Außenminister Über Deutsche Bank Thailand • Seit 1978 in Bangkok • 140 Angestellte • Größte westliche Bank in Thailand nach registriertem Kapital (17,8 Mrd. Baht) • 136 Mrd. Baht Anlagevermögen Deutsche Bank AG Bangkok Branch, Athenee Tower Levels 27-29, 63 Wireless Road Lumpini, Pathumwan Bangkok 10330 Tel: +66 (0) 2646 5000
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