Klimawandel:

Lebenswandel?

Die Erderwärmung muss kein Wachsstumskiller sein


Es war im Sommer des vergangenen Jahres, als sich ein deutsches Polit-Paar auf eine Winterreise begab: Angela Merkel, CDU, die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, und Sigmar Gabriel, ihr SPD-Kabinettsmitglied, Minister für Umwelt- Naturschutz und Reaktorsicherheit. Das geografische Reiseziel der Beiden: Grönland. Das politische Ziel: Erkenntnis. Der Riesengletscher Grönlands hat sich in den vergangenen fünf Jahren um 15 Kilometer zurückgezogen. Legt man hier die bisherige Gletscherforschung zugrunde, so entspräche dieser Schmelzvorgang in seinem Tempo einer Schnecke, die mit 75 km/h von einer Radarfalle erfasst wird. Der Meeresspiegel steigt seit 1993 um 3,1 Millimeter pro Jahr, Tendenz zunehmend. Die Temperatur der Erde auch. Um zwei bis vier Grad bis zum Jahrhundertende.
Die Klimadiskussion, der Klimawandel hat Konjunktur. Allein in Deutschland nimmt das Thema „Klimaschutz und Folgen“ laut Umfragen den zweiten Platz in der Rangordnung der wichtigsten Probleme ein, noch vor der Arbeitslosigkeit.


Unzählige Forscherteams und Organisationen produzieren Studien, Perspektiven und Konferenzen zum Klimawandel. Und immer wieder Fragen: Beherrschen in Zukunft wir das Klima oder das Klima uns? Welche Kosten, welche Investitionen sind sinnvoll, ökonomisch und ökologisch betrachtet? Wie Klima und Umweltschutz so gestalten, dass es keine Verwerfungen gibt, dass Wirtschaftswachstum und Wohlstand gehalten, sogar gesteigert werden können?
Darauf antwortet Gustav Adolf Horn, vom Wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung: „Die Chancen sind eindeutig größer etwas zu tun, sonst stiegen die Risiken ins Unermessliche: Flutkatastrophen, Hungersnöte, etc. Wenn wir neue Technologien entwickeln, wird das ein Verkaufsschlager.“ Soweit der Konjunkturforscher Horn.
Es geht – alles in allem – dabei um eine einzige Frage: Können wir heute schon eine Überlebensstrategie für Morgen entwerfen? Der Klimawandel hat – ähnlich dem Tod – einen elementaren Gerechtigkeitseffekt: Vor beidem sind alle gleich. Es ist mithin nur eine Frage der Zeit, bis sich wirklich alle der Lösung jener Frage, jenes Problems, stellen müssen, wie eine umweltschonende Verwendung endlicher Ressourcen mit der Aufrechterhaltung wirtschaftlicher Prosperität nebst gesicherter Energieversorgung gekoppelt werden kann.
„Unzählige Studien zeigen, dass die ökonomischen Auswirkungen des Klimawandels desaströs sein werden. Wenn wir nichts tun, bezahlen wir eine gewaltige Rechnung.“, sagt Wolfram Krewitt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.
Damit aber die Rechnung des Nichtstuns nicht zu hoch wird, sich aus dem Klimawandel sogar eine Wachstumschance ergibt, sind konsequentes Umdenken und Handeln notwendig. Und das heißt, laut Krewitt: „Wir müssen unsere Energieeffizienz erhöhen, den Verbrauch reduzieren und die Versorgung auf erneuerbare Energien schneller umstellen. 2020 werden wir so unsere Energiekosten senken können. Hinzu kommt ein boomendes Exportgeschäft deutscher Technologie, nirgendwo gibt es solche Wachstumsraten wie gerade dort. Deutschland hat hier eine Marktführerposition. Heute leben schon 240.000 Beschäftigte davon.“
Deutschland ist Vorreiter, Taktgeber und so etwas wie politischer Sponsor für ein Klimaschutzprogramm, dem es zum internationalen Durchbruch verhelfen will, – ja, muss, will es nicht letztlich wie eine Spielzeug-Klimalokomotive ohne Zugkraft und Waggons durch die Gegend rumpeln.
Es ist die durchaus realistische Furcht, bei europäischen oder deutschen Alleingängen in Sachen Klimaschutz Wettbewerbsnachteile beträchtlichen Umfangs auf den Weltmärkten zum Beispiel gegenüber den USA, China oder Indien einstecken zu müssen. Allerdings, deswegen eine Strategie des Abwartens oder Nichtstuns zu verfolgen, wäre ökonomischer Selbstmord. Carsten Kreklau, Mitglied der BDI-Geschäftsführung ist der Meinung, dass es „viele Möglichkeiten gibt, Beiträge zum Klimaschutz zu leisten. Die gesamte Bauindustrie, der private Bereich, Kfz-Motoren, die elektrotechnische Industrie, die Energieversorger. Zwei Drittel des industriellen Stromverbrauchs in der Industrie werden zum Beispiel durch Elektromotoren verursacht. All diese Investitionen kosten Geld, wir müssen eine Kette aus neuester Technik bilden.“
Ob zu dieser Kette auch die in Deutschland politisch ausgezählte Kernkraft gehört, ist allerdings noch offen, nach BDI-Meinung sollte Atomenergie jedoch kein Tabu sein, denn „überall auf der Welt wird in Kernkraft investiert. Bei uns ist die Politik dagegen. Es wird aber ein neues Nachdenken geben, allein mit Wind und Sonne wird nichts gehen. Wir brauchen auch Kernkraftwerke.“
Dies provoziert den Widerstand des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, DIW, das in dem Ausbau der Kernenergie mit all seinen vermeintlichen Wachstumsperspektiven keine Alternative sieht. „Die Atomenergie wird in den nächsten 50 Jahren eine Rolle spielen. Aber, die alternativen Energien werden diese Rolle ablösen.“, so das DIW.


Das Rennen ist also noch offen. Es ist davon auszugehen, dass es politisch entschieden wird, wobei die Rolle Deutschlands der des Zaungastes ähneln wird.
Der frühere Weltbankchefökonom Nicholas Stern geht in seiner Studie über die Folgen der Erderwärmung davon aus, dass der Weltwirtschaft durch den Klimawandel ein Einbruch von bis zu 20 Prozent droht. Allerdings schiebt er besänftigend nach, dass die schlimmsten Folgen durch international abgestimmtes Handeln abgewehrt werden können. 350 Milliarden Dollar seien dafür nötig, die auch gleichzeitig der Weltwirtschaft mittels zielgerichteter Umweltinvestitionen bis 2050 insgesamt einen Profit von 2,5 Billionen Dollar brächten.
In einer Prognose, die nicht alleine steht, wird der Aufwand für Klimaschutz viel geringer angesetzt als der für dessen Folgen, nämlich etwa ein Drittel der späteren Schäden. „Es wird mehr Wachstum geben, indem wir uns weg von den fossilen Energien bewegen. Da hat Deutschland Wettbewerbsvorteile“, prognostizieren die Wirtschaftsforscher.
Zu den Akteuren, die den Klimawandel als Chance ihres wirtschaftlichen Handelns sehen, gehört auch der deutsche Mittelstand. „Der Mittelstand profitiert schon längst vom weltweiten Umweltbewusstsein. Umwelttechnologien werden immer stärker zum Exportschlager. Seit 1980 sind hier bereits zwei Millionen neue Arbeitsplätze entstanden.“, ist die Analyse und Prognose des deutschen Mittelstandsverbandes.
Die Chancen, mit dem Klimawandel Geld zu verdienen, sind in Deutschland erkannt. Auch die USA, England, Frankreich und Japan sind inzwischen auf diesem Erkenntnispfad.
Hans-Jürgen Speitel


Unser Gast-Kommentator Hans-Jürgen Speitel ist Wirtschafts-redakteur und Asienexperte des Westdeutschen Rundfunks (WDR) Termin: Konferenz in Bangkok Renewable Energy Asia 2008 Die vierte Konferenz zum Thema Klimawandel und Umwelttechnik in Bangkok. Vorträge und Workshops zu Thailands Engergiepolitik, alternativer Energie und regionalen Umweltherausfoderungen in Südostasien. Eintritt 3.500 Baht, Studenten 1.500 Baht. 4. bis 7. Juni, Bangkok International Trade & Exhibition Center(BITEC), 88 Bang Na-Trad Road, Tel. +66 (0) 26 42 69 11-8 Info: www.bitec.net oder www.thai-exhibition.com

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