Thailand unterwegs:
Eine Liebeserklärung an Bangkok
THAIZEIT traf sich mit dem renommierten Fotografen Ralf Tooten, der zusammen mit Roger Willemsen gerade sein neuestes Buch „Bangkok Noir“ veröffentlicht hat.
Ralf Tooten und Roger Willemsen haben sich drei Monate lang Nacht für Nacht durch Bangkok treiben lassen. Dabei entstanden neue, ungewohnte Sichtweisen auf die brodelnde Metropole. Neben dem berühmt-berüchtigten Nachtleben, bekommen wir ausserdem Einblicke in Szenen, die jenseits des Bangkok-Klischees liegen. Roger Willemsen beschreibt in reflektierenden Sequenzen die nächtlichen Ereignisse auf eine angenehm persönliche Art und Weise. Ganz nebenbei saugt der Betrachter den Thai-Lifestyle und Spirit bei der Lektüre des Buches auf.
Wie entstand die Idee zu „Bangkok Noir“?
Zuerst einmal hat mich das Thema visuell fasziniert. Man verbringt durch die früh einbrechende Dunkelheit viel Zeit bei Nacht in Bangkok. Es ist eine besondere Stimmung durch all die roten, grünen und gelben Lichter, die ständig in Bewegung sind, dann die wunderschönen Lichtreflexe während der Regenzeit. Dieses Buch ist eine Art Liebeserklärung an die Stadt und ich wollte visuell etwas schaffen, dass das, was ich bisher an Bangkok-Fotografie gesehen habe überschreitet.
Wie entstand der Kontakt zu Roger Willemsen?
Wir haben uns 2002 bei einem Fahrradzusammenstoß an der Alster in Hamburg zufällig kennen gelernt. Aus diesem Zufall entstand eine von gegenseitiger Bewunderung geprägte Freundschaft. Ich hatte mit dem Projekt schon angefangen und zeigte ihm Bilder. Auch ihm schwebte schon seit einigen Jahren eine Idee zu diesem Thema im Kopf herum und es existierten schon Textskizzen und Tagebuchaufzeichnungen, die bei Aufenthalten entstanden, die teils schon 25 Jahre zurück lagen. Wir schauten uns also an und die Sache war klar.
Hat sich Euer Verhältnis während dieser drei Monate, die ihr Nacht für Nacht zusammen verbracht habt, verändert?
Durch die vielen, intensiven Erlebnisse, die wir zusammen geteilt haben, hat sich eine tiefe Freundschaft entwickelt.
Wie seid ihr vorgegangen? Hattet ihr einen genauen Plan für jeden Abend im Kopf?
Klar, hatten wir eine Art Skizze im Kopf, welche Locations und Szenen wir auf jeden Fall haben wollen und nicht fehlen dürfen. Ganz oft haben wir uns jedoch treiben lassen. Wir stiegen beispielsweise in irgendeinen Bus, fuhren eine Stunde durch die Gegend und stiegen an der Endstation aus und schauten was passiert oder was es zu entdecken gab. Wir haben uns sehr viel auf unseren Instinkt verlassen. Wir wollten nicht das Bild, das man sich im Vorhinein im Kopf macht bedienen, sondern ganz unvorbelastet, das was ist, auf uns wirken lassen.
Das hört sich abenteuerlich an. Habt ihr Vorsichtsmassnahmen getroffen? Oder gewisse Viertel gemieden?
Ich finde Bangkok sicherer, als viele andere Städte – selbst im Vergleich zu Deutschland. Aber ja, in einigen Fällen habe ich mich von Bodyguards begleiten lassen. Zum Beispiel als wir in ein verlassenes Hochhaus bis in den 20. Stock gestiegen sind. Das war schon sehr unheimlich – diese Dunkelheit zusammen mit den dunklen Gestalten, die dort hausten. Zum Teil bin ich alleine mit meinem Roller in peripheren Stadtteilen unterwegs gewesen. Da war dann die Frage, wie lange es dauern kann, bis ein Farang, allein und mit einer Profi-Kamera ausgerüstet, überfallen wird. Aber ich habe ein gutes Gespür und bisher immer Glück gehabt. Außerdem sind die Thais im Allgemeinen ein sehr friedliebendes Volk.Es sind auch intim anmutende Aufnahmen der nächtlichen Protagonisten entstanden. Gibt es auch inszenierte Aufnahmen?
Sehr wenige. Teilweise wurden Stimmungen, die ich jedoch selbst so erlebt habe, nachgestellt. Alleine schon aus rechtlichen Gründen.Du lebst seit 2003 in Bangkok. Was fasziniert dich an dieser Metropole am meisten?
Es war Liebe auf den ersten Blick, als ich nach Bangkok kam. Als Fotograf brauche ich die Großstadt, den kulturellen Input, das Brodeln und die Energie, die hier Tag und Nacht fließt. Ich merke, dass es die richtige Entscheidung war – aus Gründen, die ich vielleicht selbst nicht weiß. Aber Tatsache ist, ich fühle mich einfach wohl hier, liebe das Leben, die Thais und nicht zuletzt auch das Essen.Du bist Buddhist. Wie kam es dazu? Hat Reli-gion für Dich schon immer eine Rolle gespielt?
Ich sehe mich gleichzeitig als Christ und Buddhist, ganz nach dem Kernsatz des Dalai Lamas, dem auch mein Buch „Augen der Weisheit“ zu Grunde liegt: „Das Herz aller Religionen ist eins.“ Durch die Arbeit an diesem Projekt, bei dem ich zahlreiche religiöse Persönlichkeiten auf der ganzen Welt portraitiert habe, fing ich an, mich mehr und mehr für den Buddhismus zu interessieren. Mittlerweile ist er ein Teil meines Lebens: Ich meditiere jeden Morgen eine Stunde lang und gehe regelmäßig in den Tempel. Ich schätze außerdem seinen philosophischen Charakter. Zudem ist der Buddhismus ein weiterer Grund, weshalb ich mich entschieden habe in Thailand zu leben. Für mich ist es das beste Land, um den Buddhismus zu praktizieren.Was denkst Du über thailändische Fotografie?
Es gibt einige gute Fotografen mit Weltniveau. Die Kunstszene ist sehr lebendig, ein weiterer Grund, warum ich gerne hier bin. Es gibt mehr und mehr gute Austellungen in Galerien und Museen. Ich bin in der Jury der Silpakorn-Universität, an der neue, ungewohnte Sichtweisen und Perspektiven von jungen Fotografen zu entdecken sind. Ich mag die Thais wegen ihrer Fotografier-Sucht sehr gerne. Des Königs liebste Leidenschaft ist das Fotografieren und das spiegelt sich auch im Volk wider. Die Thais fotografieren sich ständig und überall. Eine Freude, das zu sehen.Tamina Duscha
Ralf Tooten geboren 1958 im Rheinland Ausbildung in Architektur-Fotografie bei Clemens Hartzenbusch Standfotograf bei Volker Schloendorffs "Blechtrommel-Verfilmung 1996 gewinnt er den Fifth Polaroid Fine Arts Award in London 2003 gewinnt er den Hasselblad Master Award in Göteburg, Schweden für das Buch und Ausstellungsprojekt „Augen der Weisheit“ zahlreiche Ausstellungen weltweit mit „Augen der Weisheit“, 2003 – 2008 „A.W.C. Asian Workers Covered“ Ausstellung, 2008 „Naked Truth“ Ausstellung, 2009 Das Buch Bangkok Noir, Roger Willemsen + Ralf Tooten 368 Seiten, gebunden, erschienen im S. Fischer Verlag Weitere Infos www.tooten.com www.roger-willemsen.de
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